Kassenarzt-Chef Gleiche Honorare nutzen Patienten nicht

Die Koalitionspläne zum Abbau der Zweiklassenmedizin lehnt Andreas Gassen ab. Das Gesundheitssystem habe ein ganz anderes Gerechtigkeitsproblem, sagte der KBV-Chef dem SPIEGEL.
Andreas Gassen

Andreas Gassen

Foto: Florian Schuh/ picture alliance / Florian Schuh/dpa

Über kein Thema haben Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen heftiger gerungen als um den Abbau der Zweiklassenmedizin. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, bezweifelt jedoch, dass die Lage für die Patienten damit besser wird. Er warnt davor, die Honorare für die Behandlung von gesetzlich und privat Versicherten anzugleichen.

"Kein Patient würde dadurch besser versorgt werden", sagte Gassen dem SPIEGEL. Die Folgen wären regional höchst unterschiedlich verteilt: "Im Osten leben vergleichsweise wenige Privatversicherte. Dort würden die niedergelassenen Ärzte bei einer Angleichung der Honorare überproportional profitieren. In vielen Gegenden im Westen dagegen würden Ärzte unter teils massiven Einbußen leiden." (Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Andreas Gassen im neuen SPIEGEL.)

In den Koalitionsverhandlungen hatten die Sozialdemokraten eine Angleichung der Honorare gefordert, um die Zweiklassenmedizin zu beenden. Die Union hatte das abgelehnt. Eine Kommission soll die Frage nun prüfen, angestrebt wird ein "modernes Vergütungssystem". Derzeit ist die Behandlung von Privatversicherten für die niedergelassenen Ärzte wesentlich lukrativer.

Gassen fordert Ende der Budgetierung

Gassen attestiert dem Gesundheitssystem "in Wahrheit ein ganz anderes Gerechtigkeitsproblem": Leistungen für Kassenpatienten seien durch Budgets gedeckelt. Daher fordert der KBV-Chef ein Ende der Budgetierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. "Wenn die Politik von uns verlangt, dass wir Patienten schneller Termine anbieten sollen als bisher und dass Versicherte mehr Leistungen in Anspruch nehmen, dann muss sie dafür auch Geld auf den Tisch legen", so Gassen.

Derzeit werde bei ausgeschöpftem Budget nicht jeder Patientenbesuch honoriert. "Ich kann verstehen, wenn Kollegen in einer ähnlichen Situation dreimal überlegen, ob sie noch die letzten Patienten annehmen, die um fünf vor fünf vor der Praxistür warten."

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