Klima-Ergebnisse der Bundesregierung Mehr Päckchen als Paket

Ein zaghafter CO2-Preis, strengere Kontrolle bei der Erreichung der Klimaziele und viele Einzelmaßnahmen. Das Klimapaket der Regierung erfüllt die Erwartungen nicht. Vieles bleibt nur Absicht, entscheidende Fragen bleiben unbeantwortet.

Die Erwartungen an das Klimapaket der Bundesregierung waren riesig. Erst wurde der 20. September sozusagen zum deutschen Klimarettungstag erklärt. Dann lieferten sich die Spitzen der Großen Koalition vom frühen Donnerstagabend bis zum Freitagmittag einen Verhandlungsmarathon.

Angesichts dieser Dramatik konnte das Klimapaket, das die Regierung letztlich in einem 22-seitigen Eckpunktepapier fixiert hat, nur enttäuschen. Doch selbst wenn man den Drama-Faktor ausklammert: Der große Wurf, den die Politik versprochen hat, ist das Klimapaket nicht. Die fünf wichtigsten Punkte im Überblick.

SPIEGEL ONLINE

1. Kraftloser CO2-Preis

Für die Bereiche Verkehr und Gebäude will die Koalition bald CO2-Festpreise einführen. Verbraucher müssen also pro Tonne CO2, die sie verursachen, einen fixen Betrag zahlen. Es ist positiv, dass sich die Regierung überhaupt auf einen derartigen Mechanismus einigen konnte. Dieses Instrument - der Kern des Klimapakets - wird allerdings nur äußerst zaghaft genutzt.

So sollen entsprechende Zertifikate erst ab 2021 ausgegeben werden, also erst in mehr als einem Jahr. Der Einstiegspreis liegt zudem bei gerade mal zehn Euro pro Tonne CO2. Bis 2025 soll er auf 35 Euro steigen - was noch immer nicht sehr viel höher ist als der aktuelle europäische CO2-Preis für den Energie- und Industriesektor.

Ab 2026 sollen die Zertifikate dann in Auktionen versteigert werden - in einem Korridor zwischen einem Mindestpreis von 35 Euro einem Höchstpreis von 60 Euro. Die Regierung behält sich vor zu prüfen, ob dieser Korridor dann noch angemessen ist.

Klimaökonomen halten all das für viel zu wenig. Viele von ihnen glauben, dass der CO2-Preis bis spätestens 2030 schon bei mehr als 100 Euro pro Tonne liegen müsste, um eine ausreichende Lenkungswirkung für den Klimaschutz zu entfalten.

2. Strenge Kontrolle der CO2-Minderung

Positiv hingegen wirken die Kontrollmechanismen für die Einhaltung der Klimaziele. Jeder einzelne Bereich wie Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft soll demnach jedes Jahr überprüft werden.

Zeichnet sich ab, dass in einem Sektor nicht genug CO2 gespart wird, muss das zuständige Ministerium nachsteuern. Es soll dann "innerhalb von drei Monaten" Vorschläge machen, wie es gedenkt, die CO2-Ziele doch noch zu erreichen. Der Klimaschutz in Deutschland ist nun also verbindlich.

Damit hat sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) durchgesetzt, die eine ähnliche Regelung bereits im Frühjahr in einem ersten Entwurf des Klimaschutzgesetzes aufgeschrieben hatte.

3. Kaum Vorschläge zum schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien

Die Bundesregierung will den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf 65 Prozent steigern. Wie sie das erreichen will, ist weiter unklar. Derzeit stockt der Ausbau von Solaranlagen, der von Windrädern ist sogar fast komplett zum Erliegen gekommen - unter anderem weil die Regierung deren Neubau über ein weitgehend dysfunktionales Auktionssystem regelt.

Im Klimapaket formuliert die Regierung nun zwar das Ziel, die Ausbaumengen zu erhöhen. Substanzielle Vorschläge, wie sie dies schaffen will, finden sich in dem Papier aber nicht. Im Gegenteil.

Die aktuell sehr strenge Abstandregelung für Windräder in Bayern bleibt zum Beispiel erhalten. Zudem wird auch noch ein pauschaler Mindestabstand von 1000 Metern festgesetzt, den Windanlagen zu Siedlungen einhalten müssen. Damit werden bestehende Flächenrestriktionen sogar noch verschärft, nicht abgebaut.

Einen Lichtblick zumindest enthält das Papier: Kommunen können künftig individuell geringere Mindestabstände zu Siedlungen festlegen und sollen zudem eine finanzielle Beteiligung am Betrieb von Windrädern erhalten. Allerdings: Wie viele Gemeinden angesichts der vielen klagewütigen Bürger von diesem Mechanismus Gebrauch machen, muss sich erst noch zeigen.

4. Im Verkehrssektor droht noch immer eine CO2-Lücke

Der Verkehrssektor wird voraussichtlich der große Problembereich des deutschen Klimaschutzes bleiben. Minister Andreas Scheuer (CSU) konnte sich zwar mit einem Bündel von Maßnahmen durchsetzen, aber es bleiben auch gravierende Lücken.

Beim Kauf von Elektroautos soll es weiterhin Prämien geben, insbesondere für kleinere Fahrzeuge unter 40.000 Euro. Doch wie hoch die Prämien ausfallen, darauf konnte man sich nicht einigen. Auch sind offenbar keine Strafen für Fahrzeuge mit höherem Spritverbrauch vorgesehen.

Pendler werden steuerlich entlastet, durch eine um fünf Cent höhere Pauschale ab dem 21. Entfernungskilometer. Wie das dem Klima helfen soll, erschließt sich nicht. Die Regelung belohnt ja schlicht Menschen mit einem langen Arbeitsweg, ganz gleich ob sie mit der U-Bahn ins Büro fahren oder mit dem SUV.

Fliegen soll teurer und Bahnfahren günstiger werden: Die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr soll sinken, die Luftverkehrsaufgabe steigen. Die Bahn soll für den Ausbau ihres Gleisnetzes und die Anschaffung von Zügen eine Milliarde Euro pro Jahr bekommen. Das dürfte kaum reichen, um all die neuen Fahrgäste zu befördern, die künftig den Zug statt das Auto oder einen Inlandsflug nehmen müssten.

5. Das Klimapaket wird teurer als erwartet

Das Klimapaket wird mehr kosten als bislang von der Regierung kommuniziert. Schon bis 2023 kommen rund 54 Milliarden Euro zusammen. Neue Schulden will die Regierung dennoch nicht aufnehmen, zumindest offiziell nicht.

Im Eckpunktepapier wird auf sogenannte "green/sustainability bonds" hingewiesen, die der Bund künftig emittieren will, um die "Entwicklung nachhaltiger Finanzmärkte zu unterstützen". Ob damit ein umstrittener Schattenhaushalt aufgemacht wird, blieb zunächst unklar.

Fazit

Das Klimapaket ist nicht das "Pillepalle" geworden, vor dem die Kanzlerin gewarnt hatte. Es ist allerdings auch weit davon entfernt, der von vielen Bürgern erwartete große Wurf zu sein.

"Politik ist das, was möglich ist", sagte Kanzlerin Angela Merkel am frühen Nachmittag vor der Hauptstadtpresse. "Und das was möglich ist, das haben wir ausgelotet."

Ob das den Hunderttausenden Demonstranten reicht, die an diesem Freitag an Hunderten Orten gleichzeitig in Deutschland unterwegs sind, ist eine andere Frage.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten