Energiesicherheit Habeck plant nationale Kohlereserve für 30 Wintertage

Kohlekraftwerk Mehrum
Foto: ulian Stratenschulte / DPADie Pläne zur Verbesserung der nationalen Energiesicherheit konkretisieren sich. Die Beamten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) planen neben höheren Gasreserven auch eine nationale Kohlereserve für die deutschen Kraftwerke anzulegen. Im Ministerium ist nach SPIEGEL-Informationen die Rede von einer Menge, die im Winter den Betrieb von Kohlekraftwerken über eine Zeitspanne von 30 Tagen ermöglicht.
Hintergrund sind die hohen Importmengen von Steinkohle aus Russland; Deutschland bezieht etwa die Hälfte seiner Einfuhren von dort. Wo die Kohle gelagert wird und woher man sie beziehe sei aber noch nicht entschieden, hieß es weiter.
Habeck hatte die nationale Kohlereserve erstmals vergangenen Donnerstag erwähnt, allerdings noch ohne Details zu nennen. Parallel hatte er betont, dass neben einer Reserve auch eine baldige Diversifizierung der Kohlelieferketten nötig sei, um die Importabhängigkeit von Russland zu verringern.
Inzwischen heißt es im Ministerium auch, dass in den kommenden Monaten vor allem Kohlekraftwerke die Stromproduktion übernehmen sollen – und nicht Gaskraftwerke. Das Erdgas solle besser für das Auffüllen der Gasspeicher verwendet werden, die derzeit extrem niedrige Füllstände aufweisen.
Das ist gleich eine doppelt bemerkenswerte Aussage. Erstens stammt sie von einem Haus, das von einem Grünen-Politiker geleitet wird. Zweitens hat das Ministerium offiziell gar keinen Einfluss darauf, welche Kraftwerke in Deutschland vornehmlich laufen. Das regelt allein der Markt. Allerdings ist Strom aus Gaskraftwerken zurzeit ohnehin so teuer, dass sie mit Kohlekraftwerken schlecht konkurrieren können.
Ob man deshalb gleich eine nationale Kohlereserve benötigt, ist umstritten. Der Verein der deutschen Kohlenimporteure (VDKi) hält sie zumindest für verzichtbar. Die Kraftwerksbetreiber unterhielten ohnehin große Kohleläger, sagte ihr Chef, Alexander Bethe, der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Vor allem aber sei Steinkohle anders als Erdgas auf dem Weltmarkt reichlich verfügbar.
Beim Erdöl sieht es ähnlich aus. Auch hier ist Deutschland stark von Russland abhängig, der Importanteil liegt bei 35 Prozent. Es gibt aber eine nationale Ölreserve, die 90 Tage lang die Unabhängigkeit von Importen insgesamt sichert. Und auch hier ist der Weltmarkt gut integriert.
Anders sieht es auf dem Gasmarkt aus. Hier hatte das Ministerium schon am Nachmittag sein Konzept für eine bessere nationale Reserve bekannt gegeben. Das Ministerium will den Betreibern von Erdgasspeichern in Deutschland demnach minimale Füllstände vorschreiben, die sie zu bestimmten Daten einhalten müssen. Anfang Oktober, zu Beginn der Heizperiode, muss der Füllstand demnach mindestens 80 Prozent betragen, am 1. Februar noch 40 Prozent.
Die Versorgungslage am deutschen und europäischen Gasmarkt ist derzeit stark angespannt. Nach aktuellen Zahlen des europäischen Verbandes Gas Infrastructure Europe beträgt die Füllmenge derzeit noch rund 29 Prozent. Insgesamt verfügt Deutschland derzeit noch über Gasreserven von knapp 71 Terawattstunden. Die Gasspeicher, die der russische Konzern Gazprom betreibt, sind sogar fast komplett leer. Das geplante Gesetz zwingt alle Speicherbetreiber gleichermaßen, künftig eine entsprechende Bevorratung vorzuhalten.
Mittelfristig will Habeck die Reserven für fossile Rohstoffe komplett überflüssig machen. Laut dem neuesten Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes soll sich Deutschland schon 2035 fast komplett mit Ökostrom versorgen. Dazu ist auch ein massiver Ausbau von Windparks auf dem Meer geplant.