Thinktank-Kalkulation Kohleausstieg dürfte Industriestrom günstiger machen

Kohlekraftwerke in Cottbus
Foto: Soeren Stache/ dpaBei den Verhandlungen über ein Gesetz für den Kohleausstieg wird oft vor stark steigenden Stromkosten gewarnt. Nach Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende ist dieses Argument teilweise falsch.
Wenn der Kohleausstieg so umgesetzt werde, wie es die zuständige Kommission Ende Januar vorgeschlagen hat, dann dürfte der Börsenpreis, zu dem viele Großverbraucher ihren Strom beziehen, sogar niedriger liegen als ohne Kohleausstieg, schreiben die Experten, die regelmäßig die Regierung in Energiewendefragen beraten.
Konkret dürfte Strom im Jahr 2030 dann um 0,5 Cent je Kilowattstunde günstiger sein als ohne Kohleausstieg, heißt es in einer Studie von Agora Energiewende, die dem SPIEGEL vorliegt.
Hauptgrund dafür: Wind- und Solaranlagen, die einmal errichtet sind, produzieren meist zu deutlich niedrigeren Kosten Strom als zum Beispiel Kohlekraftwerke mit ihren recht hohen Rohstoff- und Wartungskosten.
Für die energieintensive Industrie sei der Kohlekompromiss also sogar vorteilhaft, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Er sei eine gute "Versicherung gegenüber hohen Strompreisen".
Private Haushalte indes dürften durch den Kohlekompromiss leicht draufzahlen, heißt es in dem Papier. Denn sie bekommen ihren Strom nicht zu Großhandelspreisen, sondern zu den deutlich höheren Kosten, die ihr Energieversorger verlangt.
Im Jahr 2030 dürfte die Kilowattstunde Strom für sie schätzungsweise 0,4 Cent mehr kosten als heute. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 3500 Kilowattstunden müsste demnach monatlich rund 1,20 Euro mehr zahlen.
Größter Kostenpunkt bei den Strompreisen bleiben laut der Analyse die Netzentgelte. Über diese finanzieren Verbraucher den Ausbau und die Modernisierung des Stromnetzes mit. Für den Transport immer größerer Ökostrommengen sind diese Maßnahmen unerlässlich.
Laut Ausstiegsfahrplan der Kohlekommission werden in Deutschland 2030 noch Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 17 Gigawatt laufen, aktuell sind es 41 Gigawatt. Die CO2-Emissionen im Stromsektor sollen dadurch von 319 Millionen auf 182 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sinken - vorausgesetzt, die nötigen Gesetze zum Kohleausstieg werden zeitnah auf den Weg gebracht.
Die Große Koalition will bis spätestens Jahresende ein Gesetz zum Klimaschutz und zum Kohleausstieg vorlegen. Sie hat angekündigt, den Empfehlungen der Kohlekommission weitgehend folgen zu wollen.
Am 20. September kommt das Klimakabinett zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Zuletzt hatten sowohl RWE-Aufsichtsratschef Werner Brandt als auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) mehr Tempo bei der Umsetzung des Gesetzes gefordert.