Kohleausstieg Wunschkonzert bei Olaf Scholz

150 Millionen Euro Soforthilfen hat Finanzminister Scholz den vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländern versprochen. Manche Projekte, die damit finanziert werden, haben mit Strukturwandel herzlich wenig zu tun.
Braunkohlekraftwerk

Braunkohlekraftwerk

Foto: Oliver Berg/ dpa

Beim deutschen Kohleausstieg ist zurzeit noch vieles unklar. Nur eines scheint man schon jetzt ohne großes Risiko weissagen zu können: Viele Probleme, die sich aus dem anfallenden Strukturwandel ergeben, werden vermutlich mit Geld zugeschüttet.

Ein bisschen wirkt es so, als habe irgendwer in Berlin auf einem Marktplatz einen Riesentopf Gold hingestellt, und fast jeder darf sich nun daraus bedienen. Er muss nur irgendein Projekt vorstellen und das Label "Strukturwandel" draufkleben.

Ob es wirklich bei jedem einzelnen Projekt um Strukturwandel geht, scheint die Bundesregierung momentan nicht so eng zu sehen.

Bei ihrer Abendsitzung im Kanzleramt zum Beispiel konnten die Ministerpräsidenten bei Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Soforthilfe von 150 Millionen Euro heraushandeln. Dazu reichten sie ihm eine Liste ein, die so etwas wie das "Wünsch Dir Was" eines jeden Kommunalpolitikers ist.

Da fordert das Land Brandenburg 1,2 Millionen Euro für einen Aussichtsturm, der in der Lieberoser Heide aufgestellt werden soll. Für drei Millionen Euro soll auch ein "Heideradweg" gebaut werden. Fraglich, ob dadurch Brandenburgs wandeln zum High-Tech-Bundesland vorangetrieben wird.

Im benachbarten Sachsen-Anhalt haben die cleveren Landespolitiker ebenfalls noch einmal tief in die Schublade geschaut und ganz hinten noch ein paar Projekte gefunden, die man immer schon mal realisieren wollte. Nun sollen zum Beispiel 1,8 Millionen Euro aus dem Kohleausstiegs-Topf in den Burgenlandkreis fließen. Zur "Stärkung des Kulturtourismus".

Das Land Sachsen, in dessen nördlichem Teil die Lausitz liegt, hätte gerne 200.000 Euro für die "Sicherstellung einer gemeinsamen Verwaltung" im Geopark Faltenbogen, einer malerischen Stauchendmoräne aus der Elstereiszeit unweit der polnischen Grenze.

Insbesondere die Ost-Länder waren clever, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel vorzusprechen und vor der großen Gefahr für ihre Regionen zu warnen. Die drohen, bei den anstehenden Landtagswahlen an die AfD zu fallen, vor allem dann, wenn die Strukturwandelkommission den überstürzten Ausstieg aus der Braunkohle beschließen sollte - ein Argument, das bei der Kanzlerin offensichtlich verfangen hat.

Strukturhilfen für die Steinkohle

Was weniger im Vordergrund der Gespräche zu stehen scheint, das sind Dutzende Standorte mit Steinkohlekraftwerken, die von Wilhelmshaven bis Karlsruhe vor allem über den Westteil des Landes verteilt sind.

Immerhin, auch dafür fand man vergangene Woche eine erste Übereinkunft. Die Bundesregierung hat sich mit den vier vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländern nach Informationen des SPIEGEL darüber verständigt, welcher Teil der Strukturhilfen für die Schließung der Steinkohlekraftwerke aufgewendet werden soll.

Bei ihrem Treffen am vergangenen Dienstag im Kanzleramt einigten sich die Ministerpräsidenten darauf, den zweistelligen Milliardenbetrag zum Strukturwandel zu 15 Prozent für die 9000 Beschäftigten in den Kraftwerken und den Kommunen aufzuwenden.

Das Bundeswirtschaftsministerium will damit unter anderem die Umwandlung von Flächen fördern, auf denen Steinkohlekraftwerke stillgelegt werden. "Schon jetzt sollten Kommunen für diese Flächen die Folgenutzung planen und Konzepte für die Neuansiedlung von Unternehmen ausarbeiten", sagte Oliver Wittke, Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsministerium, dem SPIEGEL.

Der Bund wolle solche Initiativen mit einem gezielten Programm finanziell fördern, damit die Flächen bereits kurz nach der Schließung der Anlagen umgewandelt werden können. "Diese Areale sind hervorragend erschlossen, zum Teil mit Schienen und Wasserwegen, und eignen sich deshalb als Standort für zukunftsträchtige Firmen", sagte Wittke.

Bereits in den nächsten Jahren werden viele alte Steinkohlekraftwerke geschlossen. Das plant die Regierungskommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", die Ende des Monats ihren Bericht vorlegen will.

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