Braunkohletagebau Entscheidung am Hambacher Forst

Aktivisten im Braunkohlerevier beim Hambacher Wald
Foto: SASCHA SCHUERMANN/ AFPEs ist nicht mehr viel übrig vom Hambacher Forst. Einen Großteil des alten Waldes in Nordrhein-Westfalen mit seinen teils riesigen Bäumen hat der Energiekonzern RWE bereits gerodet, um darunter Kohle abzubauen. Direkt neben dem Forst ragt ein gigantisches trichterförmiges Loch etwa 400 Meter in die Erde: RWEs Tagebau, das größte Braunkohlerevier in Europa.
Seit Jahren schon spaltet der oft schwer gewalttätige Protest gegen die Rodung des Hambacher Forstes die Region. Nun ist der Konflikt weiter eskaliert. Ein Streit zwischen RWE und dem Umweltverband BUND hat den Wald gewissermaßen zur Frontlinie der deutschen Energiewende gemacht.
Der Konflikt, der sich in den vergangenen Tagen zugespitzt hat, vergiftet inzwischen das Klima in der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung". Sie soll einen Masterplan für den Ausstieg der Bundesrepublik Deutschland aus der Kohleenergie entwerfen.
Am 17. August hatte zunächst RWE einen Brief an die vier Vorsitzenden der Kommission weitergeleitet, den er zuvor bereits an das Kanzleramt und das Wirtschaftsministerium geschickt hatte. In dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, begründet das Unternehmen umfassend, warum es von Anfang Oktober an weitere Teile des Waldes zu roden gedenkt.
Ohne weitere Kohleförderung könnten die Kraftwerke in der Region bald nicht mehr betrieben werden, argumentiert RWE. Fünfzehn Prozent der Stromversorgung Nordrhein-Westfalens seien dann gefährdet - und damit auch die Versorgung vieler Industrieunternehmen mit besonders hohem Energiebedarf.
Am Dienstag hat der BUND reagiert. In einem offenen Brief , den er gemeinsam mit einer Bürgerinitiative verfasst hat, fordert der Umweltverband die Vorsitzenden der Kohlekommission auf, die Rodungen und den Tagebau so lange auszusetzen, bis die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für den deutschen Kohleausstieg feststehen.
"Während die Kommission tagt, werden Tag für Tag die Maßnahmen zur Devastierung ganzer Dörfer fortgesetzt, Kulturdenkmäler und Kirchen abgerissen und schützenswerte Natur für die Gewinnung der Braunkohle zerstört", heißt es in dem Brief.
RWE hält prompt dagegen: Der Hambacher Forst falle gar nicht in den Aufgabenbereich der Kohlekommission, argumentieren die Manager des Konzerns. Es handle sich dabei um ein kurzfristiges Thema; die Kommission aber solle ja die langfristigen Linien des Kohleausstiegs festlegen.
Showdown noch diese Woche?
Am Donnerstag tagt das Gremium zum ersten Mal nach der Sommerpause. Bereits dann soll die Kommission nach Willen der Konfliktparteien zur Zukunft des Hambacher Waldes Position beziehen.
Der BUND, der ebenfalls in der Kommission sitzt, droht sogar mit dem Austritt, falls es zu neuen Rodungen kommt. "Das gefährdet unsere Mitarbeit", ist aus dem Verband zu hören. Auch bei den anderen Umweltvertretern in der Kommission ist der Unmut groß.
Die Braunkohlekritikerin Antje Grothus, die ebenfalls in der Kommission sitzt und nur wenige Kilometer vom Hambacher Forst entfernt wohnt, setzt weiter auf Dialog. Sie wolle erst die Kommissionssitzung am Donnerstag abwarten, sagt sie. Dann werde sie entscheiden, wie ihre Zusammenarbeit mit dem Gremium künftig funktioniere.
Noch ist unklar, wie ernst die Austrittsdrohungen zu nehmen sind. Denn die Kommission könnte zumindest theoretisch auch ohne die ausgeschiedenen Mitglieder tagen. Doch wenn zu viele Vertreter gleichzeitig abspringen, könnte das Gremium nicht mehr seinen Zweck erfüllen, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens zu finden.
Insgeheim hoffen die Beteiligten auf eine andere Lösung. Dem Oberverwaltungsgericht Münster liegt eine Klage des nordrhein-westfälischen Landesverbandes des BUND vor. Die Umweltschützer wollen noch vor dem 1. Oktober eine gerichtliche Entscheidung für einen Rodungsstopp erwirken. So könnten sie sich durchsetzen, ohne ihre Mitgliedschaft in der Kommission zu gefährden.