Zoff um Klimaabgabe 75 Stadtwerke stützen Gabriels Kohlepläne

Wirtschaftsminister Gabriel bekommt breite Unterstützung für seine Klimaschutzpläne. 75 Stadtwerke bestärken nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen sein Konzept, den CO2-Ausstoß alter Kohlemeiler durch eine Abgabe zu drosseln.
Kohlekraftwerke: Rückendeckung für Gabriels Klimapläne

Kohlekraftwerke: Rückendeckung für Gabriels Klimapläne

Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFP

Pläne von Sigmar Gabriel, eine Sonderabgabe für alte Kohlemeiler einzuführen, spalten Deutschlands Energiebranche. Gerade erst hat RWE-Chef Peter Terium gewarnt, ein solches Gesetz würde "das sofortige Aus für einen Großteil der Braunkohletagebaue und Braunkohlekraftwerke bedeuten". Nun bekommt Gabriel Rückendeckung von den Stadtwerken und kommunalen Versorgern.

Die laute Kritik an Gabriels Klimaschutzplänen spiegele "keinesfalls die Haltung der gesamten Energiewirtschaft wider", heißt es in einem Brief, den zahlreiche Chefs von Stadtwerken und kommunalen Versorgern noch am Donnerstag an Gabriel schicken wollen und der SPIEGEL ONLINE vorliegt. In dem Schreiben steht, die Unterzeichner würden Gabriels Pläne "ausdrücklich unterstützen".

Der Wirtschaftsminister will den Kohlendioxid-Ausstoß von älteren Kohlemeilern per Strafsteuer drücken: Wenn Kraftwerke über eine bestimmte Freigrenze hinaus CO2 ausstoßen, sollen ihre Betreiber eine Strafe von bis zu 20 Euro pro Tonne zahlen. So will Gabriel bis 2020 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die kommunalen Versorger betreiben besonders viele Gaskraftwerke, sie würden von einer Strafsteuer für die Kohle profitieren.

Bislang haben 75 Stadtwerke den Brief unterzeichnet, einige weitere könnten noch hinzukommen, obwohl die Frist zum Unterschreiben eigentlich abgelaufen sei, hieß es aus dem Umfeld der Initiatoren. In der Liste der Unterzeichner finden sich auch Stadtwerke, an denen RWE beteiligt ist.

Im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft kommt der Brief nach Informationen von SPIEGEL ONLINE nicht gut an. Als Gesamtverband der Energiebranche soll der BDEW sowohl die Interessen von RWE und Co. als auch die der Stadtwerke vertreten. Gelungen ist das offenbar nicht.

Kohle-CDU gegen Klima-CDU

Auch auf politischer Ebene hatte sich der Streit um Gabriels Vorschlag zuletzt aufgeheizt. Die CDU-Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich ebenso gegen den Wirtschaftsminister gestellt wie die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Fuchs (CDU) und Georg Nüßlein (CSU). Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnt davor, die Kohleindustrie "plattzumachen".

Andere CDUler sind weniger zimperlich mit der Kohleindustrie. "Das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken muss eingehalten werden", sagt Andreas Jung, Beauftragter für Klimaschutz der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, SPIEGEL ONLINE. "Ohne Klimabeitrag der Braunkohle wird das nicht gehen." Alle Fragen der Union zu Gabriels Vorschlag müssten geklärt werden. "Aber Nichtstun ist keine Alternative." Der letzte Satz klingt wie eine Spitze in Richtung jener CDU-Vertreter, die betonen, eine Reform der EU-Emissionshandels sei genug, um die Klimaziele zu erreichen.

Die Gewerkschaften IG BCE und Ver.di wollen am Samstag in Berlin mit bis zu 15.000 Leuten gegen die Pläne des Wirtschaftsministers demonstrieren. Durch die geplante Kohlesonderabgabe könnten bis zu 100.000 Jobs verlorengehen, mahnen sie.

Warten auf ein Machtwort von Merkel

Die Grünen-Fraktion hat sich - ausnahmsweise - weitgehend hinter den Wirtschaftsminister gestellt. "Die Klimaschutzabgabe ist der absolute Minimalbeitrag der Energiewirtschaft zum Erreichen des Klimaschutzziels", sagt der Fraktionsvize Oliver Krischer. "Wir erwarten von Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel hier ein klares Bekenntnis."

Dass der Streit gerade jetzt eskaliert, ist kein Zufall. Am Sonntagabend treffen sich die Spitzen von Union und SPD zum Koalitionsausschuss im Kanzleramt, sie wollen unter anderem über den Streit in der Energiepolitik beraten.

Gabriel selbst gibt sich zuversichtlich. Er sagt, er habe für seine Pläne die Unterstützung der Bundeskanzlerin. Angela Merkel (CDU) will das Thema Klimaschutz im Juni beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau zum Top-Thema machen.

Viele warten nun auf ein Machtwort von Merkel. Die Kanzlerin ist inzwischen fast die einzige deutsche Politikerin, die sich im Streit um Gabriels Kohlepapier noch nicht öffentlich geäußert hat.

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