Konjunktur-Crash EU-Kommissar Rehn fordert noch mehr Milliarden für Athen

Reicht es schon wieder nicht? EU-Finanzkommissar Rehn fürchtet, dass die 130-Milliarden-Euro-Hilfe Griechenland nicht retten wird. Zu tief ist die Wirtschaft abgestürzt, zu gigantisch ist der Schuldenberg. Laut einem Agenturbericht müssen die Euro-Staaten weitere zwölf Milliarden Euro nachschießen.
Akropolis in Athen: Schulden über Schulden

Akropolis in Athen: Schulden über Schulden

Foto: dapd

Davos - Gerade schien es, als stünden die Verhandlungen zur Griechenland-Rettung vor dem Durchbruch - jetzt braucht das Land wohl schon wieder mehr Geld. EU-Finanzkommissar Olli Rehn hält weitere Staatshilfen für Griechenland für zwingend. Das aktuelle Rettungspaket sei wohl nicht ausreichend, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Das zweite Griechenland-Paket soll nach derzeitiger Planung 130 Milliarden Euro umfassen; zusätzlich sollen private Gläubiger dazu gebracht werden, Griechenland 20 bis 30 Jahre länger Zeit zu geben, um Schulden in Höhe von rund hundert Milliarden Euro zurückzuzahlen. Gerade wirkte es so, als stünde eine Einigung der Privatgläubiger kurz bevor. Am Abend wollte ihr Chefunterhändler Charles Dallara sich mit dem griechischen Ministerpräsidenten Loukas Papademos beraten.

Jetzt macht Rehn neuen Druck. Um Griechenlands Schuldenlast wie geplant bis Ende des Jahrzehnts von 160 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken, werde der aktuelle Kompromiss, den die Privatgläubiger anstreben, nicht reichen, sagte Rehn der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag in Davos. Diese Lücke müssten die Euro-Staaten und EU-Institutionen füllen. Wie viel frisches Geld nötig sei, wollte der EU-Kommissar nicht sagen. Nach Angaben aus EU-Kreisen gehe es um rund zwölf Milliarden Euro, berichtet Reuters.

Gewaltiger Geldbedarf

Grund für den neuen Finanzbedarf ist die Misere in Griechenland. Die Wirtschaft des schuldengeplagten Landes stürzt ab, die Schulden steigen weit schneller als geplant. Schon im Oktober zitierte die "Financial Times" aus einem vertraulichen Bericht, demzufolge Griechenlands Retter bis 2020 rund 252 Milliarden Euro auftreiben müssen. Die Euro-Retter wollten Griechenlands private Gläubiger zu einem radikalen Schuldenschnitt bewegen, hieß es damals. Ansonsten werde das zweite Rettungspaket nicht reichen.

Die Befürchtungen von damals scheinen sich nun zu bestätigen. Rehn zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass es bald eine Lösung gibt. Er gehe davon aus, dass das Paket in den nächsten Tagen abgeschlossen werde, "vorzugsweise noch im Januar". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zuversichtlich. Die Gespräche seien auf einem guten Weg, sagte sie nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in Berlin. Zu einer möglichen höheren Beteiligung der öffentlichen Hand wollte sie sich nicht äußern.

Die privaten Gläubiger hatten zuletzt gefordert, dass sich auch die Europäische Zentralbank (EZB) an dem Rettungspaket beteiligt. Die Frankfurter Währungshüter lehnen dies bislang strikt ab. Die Zentralbank hat allerdings griechische Anleihen zu einem weit niedrigeren Preis als dem Nennwert erstanden. Bei einem Halten dieser Papiere bis zur Fälligkeit würde sie den vollen Wert erhalten und dabei nach Angaben aus EU-Kreisen einen Gewinn von gut zwölf Milliarden Euro machen. Dies entspräche ungefähr der Summe, die laut Rehn im Griechenland-Paket fehlt.

"Geld gibt es nur, wenn das Land straff geführt wird"

Eine Beteiligung der EZB könnte den Kompromiss voranbringen. Aus EU-Kreisen heißt es, die Privatgläubiger seien zu weiteren Zugeständnissen bereit, falls auch die EZB auf Forderungen verzichte. So könnten die Banken und Hedgefonds niedrigere Zinsen verlangen für die neuen griechische Staatsanleihen mit 30-jähriger Laufzeit, mit denen sie ihre Forderungen stunden wollen. Auch das würde die Regierung in Athen entlasten.

Denkbar sei ein Zinssatz von 3,8 Prozent für neue Anleihen, sagte ein griechischer Banker. In griechischen Zeitungen hieß es gar, die Gläubiger könnten einen Zinssatz von etwa 3,75 Prozent akzeptieren. Bislang lag ihre Forderung bei mindestens vier Prozent. Die europäischen Finanzminister fordern eine Rate von 3,5 Prozent.

Die Stats- und Regierungschefs der Euro-Zone werden sich laut "Financial Times Deutschland" möglicherweise am Montagabend treffen, um über die Umschuldung Griechenlands zu beraten.

In der Koalition wächst inzwischen der Unmut über den Euro-Schuldensünder. "Trotz all der Hilfspakete hat sich anscheinend in dem Land nur sehr wenig grundlegend gebessert", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Der CDU-Politiker droht mit einem Stopp weiterer Milliardenhilfen, sollten die Griechen die Auflagen der Geldgeber nicht erfüllen. "Ihnen muss klargemacht werden: Geld gibt es nur, wenn das Land straff geführt wird."

ssu/Reuters
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