Konjunkturprognosen Ökonomen sehen Deutschland am Rande der Rezession

Deutschland befindet sich am Rande der Rezession. Davon gehen zumindest die Forscher des Kieler Instituts für Weltwirtschaft aus. Derweil schraubt auch das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut seine Wachstumsprognose für 2012 nach unten.
Metallarbeiter: Forscher halten eine Rezession in 2012 für wahrscheinlich

Metallarbeiter: Forscher halten eine Rezession in 2012 für wahrscheinlich

Foto: ddp

Hamburg/Kiel - Führende deutsche Wirtschaftsforscher erwarten für 2012 ein deutlich niedrigeres Wachstum als noch vor wenigen Monaten. Hauptgrund für so viel Pessimismus sind nach Meinung der Ökonomen die ungelöste Staatsschulden-Krise in der Eurozone und den USA und die daraus folgende Unsicherheit an den Märkten.

Sowohl das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) als auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) senkten am Dienstag ihre Prognosen für das deutsche Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr. Die Hamburger Forscher erwarten nur noch einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 1,2 Prozent (zuvor 2,2 Prozent), das Kieler IfW errechnete ein Plus von 0,8 Prozent (zuvor 1,6 Prozent).

Beide Institute betonen in ihren Konjunkturanalysen, dass es noch deutlich schlechter werden könne. Die weltweiten Turbulenzen an den Börsen drohten "über Vertrauens- und Vermögenseffekte auf die Realwirtschaft überzugreifen", erklärten die Forscher des HWWI. Gleichzeitig seien die wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume der Staaten gering, da der Ausstieg aus den expansiven Maßnahmen während der vergangenen Krise vielfach nicht gelungen sei. Sparprogramme in einigen Ländern dürften wiederum die Konjunktur dämpfen.

"Eine Lösung der Probleme ist nicht in Sicht"

Die IfW-Forscher sehen das größte Risiko für die Konjunktur in einer Zuspitzung der Schuldenkrise. "Weder in den USA noch im Euroraum ist eine Lösung der Probleme in Sicht." Sollte sich der Abschwung im Ausland verschärfen, wäre auch die deutsche Wirtschaft betroffen, deren Exporte schrumpfen würden.

Beide Institute betonen die großen Risiken und Unsicherheiten durch die hohen Staatsschulden in vielen Ländern. "Die Probleme sind keineswegs gelöst und die Risiken für eine noch deutlich ungünstigere Entwicklung sind nach wie vor groß", heißt es beim HWWI. "Der Spagat zwischen Konsolidierung und Konjunktur ist sicherlich nicht einfach."

Das IfW sieht Deutschland sogar am Rande einer Rezession und befürchtet für das vierte Quartal 2011 einen Rückgang der Produktion. Die Forscher halten "neue Schocks" von dieser Seite für möglich, etwa Staatspleiten oder deutlich steigende Zinsen wegen eines erhöhten Anlagerisikos. Das könne zu neuen Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen, die Unsicherheit verstärken und die Konjunktur zusätzlich dämpfen. "Eine Rezession wäre dann wohl auch in Deutschland nicht zu vermeiden", schreibt das Kieler Institut.

Dabei steht Deutschland nach Meinung der Ökonomen noch gut da: Der Arbeitsmarkt bleibt robust, beide Institute erwarten im kommenden Jahr einen weiteren leichten Rückgang von 3,0 auf 2,9 Millionen Arbeitslose. Rückenwind käme vom privaten Konsum und auch von den Investitionen der Unternehmen. Sie werden nach den Erwartungen der Forscher zwar langsamer zunehmen, aber immerhin noch wachsen.

BDI rechnet weiterhin mit Exportplus

Das Problem seien aber die Exporte. Viele wichtige Handelspartner und Exportmärkte müssten Konsolidierungsprogramme auflegen, um ihre Schulden in den Griff zu bekommen. Das beeinträchtige die Konjunktur in diesen Ländern. Auch in den Schwellenländern gehe es im nächsten Jahr langsamer voran, Weltkonjunktur und Welthandel kühlen sich ab.

Für 2011 rechnet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) noch mit einem Exportplus von elf Prozent. Im ersten Halbjahr waren die deutschen Exporte um mehr als 15 Prozent gestiegen. Unterm Strich wachsen die Ausfuhren deutscher Unternehmen stärker als der Welthandel, sagte Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Wegen einer zunehmend unsicheren Weltwirtschaft geht der BDI allerdings von einer nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik aus.

dis/dapd/dpa

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