Reformstau Bundesregierung verliert Geduld mit Griechenland

Griechenland hat laut einem Zeitungsbericht mindestens zwei Drittel der Sparvorgaben nicht umgesetzt - und fordert mehr Zeit. FDP-Chef Rösler zweifelt am Reformwillen Athens, CSU-Generalsekretär Dobrindt will das Land möglichst schnell aus dem Euro haben.
Passantin in Athen: Nur einen Teil der Sparvorgaben umgesetzt

Passantin in Athen: Nur einen Teil der Sparvorgaben umgesetzt

Foto: Oli Scarff/ Getty Images

Berlin - Offiziell liegt der Bericht der Troika zu Griechenland noch gar nicht vor. Doch es sickern bereits erste Details aus dem Report von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank durch. Laut "Rheinischer Post" kommen die Kontrolleure zu einem ernüchternden Ergebnis. Demnach hat die griechische Regierung 210 von rund 300 Sparvorgaben nicht erfüllt.

Diese Angaben wurden in Brüssel nicht bestätigt. "Es gibt kein Troika-Dokument mit diesen Zahlen", hieß es aus EU-Kreisen. Ein EU-Diplomat räumte aber zugleich ein, das Programm sei "erheblich aus der Spur geraten". Eine vollständige Analyse sei vermutlich erst im September verfügbar. Außerdem gebe es auch durchaus positive Entwicklungen in Athen.

In den Reihen der Bundesregierung wächst der Unmut über Griechenland. Denn angesichts der tiefen Rezession und fehlender Reformerfolge fordert die neue Regierung in Athen von den Geldgebern mehr Zeit für die Sparvorhaben. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe führenden Koalitionären versichert, dass Griechenland maximal einige Wochen Aufschub bei der Umsetzung der Defizitziele gewährt werden könnten, berichtete die Zeitung.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Freitag, die Vereinbarungen mit der Athener Regierung enthielten "inhaltliche wie zeitliche Festlegungen". Sobald der Bericht der Troika vorliege, könnten auf dieser Basis die nächsten Entscheidungen mit den europäischen Partnern getroffen werden.

Auch der IWF sieht eine Veränderung der Sparziele kritisch. "Die Grundlage für Diskussionen bleiben die Ziele des Programms, die mit der griechischen Regierung vereinbart wurden", erklärte ein Sprecher.

Dobrindt will Euro-Austritt Griechenlands

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler steht den Forderungen aus Griechenland ebenfalls skeptisch gegenüber. "Ich habe das Gefühl, dass sich die Geduld bei der Troika dem Ende neigt", sagte der FDP-Chef im Deutschlandfunk. Rösler zweifelt daran, dass Griechenland überhaupt reformfähig ist: "Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, lassen mich zumindest skeptisch zurück", sagte er. Zugleich mahnte er, zunächst einmal den kompletten Troika-Bericht abzuwarten "und nicht allein weitreichende Entscheidungen auf Grundlage eines Zeitungsartikels" zu treffen.

Die radikalste Forderung kam von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Er möchte Griechenland vorerst nicht mehr in der Euro-Zone haben. "Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass Griechenland nur dann eine Chance hat, wenn es den Euro verlässt", sagte Dobrindt der "Rheinischen Post". Das Land müsse nach dem Austritt mit einem Wiederaufbauprogramm unterstützt werden. Zudem schlug Dobrindt eine "Rückkehroption in den Euro" vor, "wenn Griechenland saniert ist".

Die griechischen Regierungsparteien hatten sich am Donnerstag darauf geeinigt, mit den Geldgebern über eine Lockerung der Sparauflagen zu verhandeln. Konkret geht es um Maßnahmen, die eigentlich für 2013 und 2014 geplant waren. Diese sollen um mindestens zwei Jahre gestreckt werden.

Mehrheit der Deutschen würden keinen Aufschub gewähren

Regierungschef Antonis Samaras hatte betont, es gehe nicht um eine Änderung der Ziele, er wolle aber über die Strategie verhandeln und benötige mehr Zeit. Fortschritte kann Griechenland kaum vorweisen. Obwohl das Land etwa versprochen hat, Privatisierungen in Milliardenhöhe voranzutreiben, sollen 2012 nur die staatliche Lotterie sowie ein Gebäude in der Hauptstadt Athen verkauft werden.

Angesichts der negativen Nachrichten reißt den meisten Deutschen einer Umfrage zufolge der Geduldsfaden mit den Schuldenkrisen-Ländern. Laut dem am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer lehnen es 61 Prozent der Befragten ab, den Empfängern der Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm mehr Zeit zur Umsetzung der zugesagten Reformen einzuräumen. 31 Prozent wären dazu bereit, acht Prozent haben keine Meinung.

mmq/dapd/dpa
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