Krisen-Manager Dijsselbloem Fehlstart für den obersten Euro-Retter

Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem: Ungeschicktes Agieren?
Foto: JOHN THYS/ AFPDie Klarstellung fiel deutlich aus: Jeroen Dijsselbloem habe "etwas Falsches" gesagt, erklärte das französische EZB-Vorstandsmitglied Benoit Coeure dem Radiosender "Europe 1". Kein anderes europäisches Land sei in einer vergleichbaren Lage, Zyperns Probleme seien einzigartig.
Die EU-Kommission beeilte sich zu versichern, dass die Einbeziehung von Großsparern und Gläubigern bei der Rettung der zyprischen Banken keinesfalls ein Modell für die Zukunft sei. "Der Fall Zypern ist einzigartig, und zwar aus vielerlei Gründen", sagte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.
Grund für die besorgten Wortmeldungen waren die Interviewäußerungen des Chefs der Euro-Gruppe. Dijsselbloem hatte die Beteiligung von Anteilseignern, Gläubigern und Großkunden an Zyperns Bankenrettung zum Modellfall erklärt. In Interviews mit der "Financial Times" und der Nachrichtenagentur Reuters hatte der Niederländer verkündet, der Privatsektor müsse sich darauf einstellen, bei künftigen Rettungsaktionen in anderen Ländern ebenfalls herangezogen zu werden. Ganz nebenbei suggerierte er auch noch, ausgerechnet der Stabilitäts-Musterschüler Luxemburg könne wegen seines großen Bankensektors Probleme bekommen.
Zypern war also doch kein Sonderfall, wie die Euro-Gruppe zuvor stets betont hatte? Die Freude der Anleger über das jüngste Euro-Rettungspaket verpuffte, Aktien und Euro gingen auf Talfahrt. Dijsselbloem beeilte sich anschließend, seine Aussagen zurückzunehmen. Er sei falsch interpretiert worden, teilte er mit. Natürlich sei Zypern ein Sonderfall.
Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn ein Politiker seine eigenen Aussagen widerrufen muss. Es ist kein Zeichen für Souveränität, wenn sich andere Beteiligte im Anschluss mit Klarstellungen zu Wort melden. Und katastrophal wirkt es, wenn es inmitten einer aufgeheizten Debatte um die Zukunft der Euro-Zone geschieht. Klarheit und Geschlossenheit wären nötig, stattdessen wirkten die Euro-Retter wieder mal uneins.
Kein Wunder, dass Dijsselbloems unabgesprochener Vorstoß unter den Kollegen der Euro-Gruppe für Kopfschütteln sorgte. Allerdings wollte ihn kein Minister angreifen.
Gehört Euro-Land wieder in Juncker-Hand?
Dijsselbloems ungeschicktes Agieren warf umgehend die Frage auf: Ist der 46 Jahre alte Neuling mit dem Job überfordert? Schließlich war der Interview-Fauxpas nicht der erste Patzer in den vergangenen Wochen.
Ihm wird vorgeworfen, dass die Euro-Gruppe unter seiner Führung einen der schwersten Fehler ihrer Geschichte begangen hat. Vor zehn Tagen hatten die 17 Finanzminister beschlossen, Kleinsparer für die Sanierung der zyprischen Banken heranzuziehen. Dies war zwar auf Drängen der zyprischen Regierung geschehen, doch wurde damit die Einlagengarantie der EU für Sparguthaben unter 100.000 Euro in Frage gestellt.
Schuld sind natürlich alle Finanzminister. Insbesondere erfahrene Politiker wie Wolfgang Schäuble hätten die explosive Symbolkraft dieses Schritts erkennen müssen. Doch die Verantwortung blieb an Dijsselbloem hängen. Er musste sich anhören, dass sein erfahrener luxemburgischer Vorgänger Jean-Claude Juncker diesen Beschluss mit Sicherheit verhindert hätte.
Auch Dijsselbloems Verhandlungsstil wird gerügt. Er sei mit den Zyprern zu rüde umgesprungen, heißt es in Brüssel. Die Gespräche seien auch deshalb so schwierig und chaotisch gewesen, weil Zyperns Präsident Nikos Anastasiades sich schlecht behandelt fühlte. Es war ein deutliches Misstrauensvotum, dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und IWF-Chefin Christine Lagarde am Wochenende die Verhandlungsführung an sich zogen. Den ganzen Sonntag wurde auf Chefebene verhandelt. Die Finanzminister hingegen mussten bis Mitternacht warten, bevor sie den Kompromiss abnicken durften.
EU-Linie zur Privatsektorbeteiligung nebulös
Doch ist die Kritik an Dijsselbloem berechtigt? Oder müsste sie nicht vielmehr die gesamte Euro-Gruppe treffen? Schließlich ist der Vorsitz nur ein zeremonieller Posten. Dijsselbloem hat keine eigene Entscheidungsbefugnis, er ist nur Primus inter Pares. Einige andere Finanzminister, allen voran Schäuble, waren nicht weniger ruppig im Umgang mit den Zyprern. Und die widersprüchlichen Aussagen zur Beteiligung des Privatsektors reflektieren nur die unklare Strategie der Euro-Gruppe. Erst die Zukunft wird zeigen, ob Zypern wirklich Sonderfall oder doch Modellfall ist.
Die Linie der EU-Kommission ist nicht weniger nebulös. Barniers Sprecherin sagte, Zypern sei kein perfektes Modell, das man in Zukunft wieder nutzen wolle. Grundsätzlich sei es aber schon wünschenswert, dass der Steuerzahler aufhöre, für die Fehler der Banken zu zahlen.
Der Showdown um Zypern wirft ein Schlaglicht auf den größten Nachteil, mit dem Dijsselbloem zu kämpfen hat: Er hat nicht die gleiche Gravitas wie sein Vorgänger Juncker. Nicht nur ist der niederländische Sozialdemokrat zwei Jahrzehnte jünger, er ist auch nicht Regierungschef. Weil Juncker Finanzminister und Premierminister in Personalunion war, konnte er stets mit allen Beteiligten auf Augenhöhe sprechen. Im Umgang mit dem zyprischen Präsidenten hätte das vielleicht geholfen.
Dijsselbloems Problem: Ändern kann er daran nichts. Er wird mit seinem Handicap leben müssen - ebenso wie mit der Widersprüchlichkeit der Euro-Gruppe. Als Vorsitzender wird er noch häufiger zum Blitzableiter gemacht werden.