Lira-Verfall Bulgaren und Griechen nutzen Türkei als Schnäppchenparadies

Trotz Stützungsmaßnahmen der Regierung hat sich die türkische Lira nur leicht stabilisiert. Aus Bulgarien und Griechenland kommen Menschen über die Grenze, um im Nachbarland günstig einzukaufen.
Bulgarische Besucher packen im türkischen Edirne ihre Einkäufe ins Auto

Bulgarische Besucher packen im türkischen Edirne ihre Einkäufe ins Auto

Foto: Emrah Gurel / AP

Sie kommen in überfüllten Autos und Bussen, um den günstigen Lira-Wechselkurs für preiswerte Einkäufe zu nutzen. Menschen aus Bulgarien und Griechenland fahren in das Nachbarland Türkei und decken sich dort mit Waren ein, berichten Reporter der Nachrichtenagentur AP.

Dabei hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan vergangene Woche Maßnahmen verkündet, um den Wertverfall der türkischen Währung zu stoppen. Im Dezember war die türkische Lira im freien Fall und erreichte schließlich am 20. Dezember einen historischen Tiefstand von 18,36 gegenüber dem US-Dollar – ein Wertverlust von mehr als 60 Prozent binnen einem Jahr.

Nach Ankündigung der Stützungsmaßnahmen durch die türkische Regierung erholte sich der Kurs zwar etwas. Am Montag war ein Dollar nun 11,4 Lira wert – damit ist die Lira aber immer noch 35 Prozent schwächer als vor einem Jahr.

Die AP-Reporter beschreiben, wie die nordwesttürkische Stadt Edirne von Schnäppchenjägern heimgesucht wird. Deren erster Halt ist die Wechselstube, dann geht es zu den Märkten und Lebensmittelgeschäften.

An Heiligabend war der türkische Marktplatz der Stadt demnach voll mit Einkäufern aus Bulgarien. Eine Frau berichtete, sie sei um drei Uhr morgens losgefahren, um in einen Bus zu steigen, der sie über die Grenze nach Edirne bringen sollte, habe 200 bulgarische Lew in 1150 türkische Lira umgetauscht und angefangen, einzukaufen.

Eine weitere Frau sagte, sie sei gekommen, um günstige Geschenke für ihre Kinder und Enkelkinder zu kaufen, da es in Bulgarien viel teurer sei.

»Sie kaufen wie verrückt«

Die Türkei befindet sich in einer Wirtschaftskrise mit einer offiziellen Inflationsrate von mehr als 21 Prozent. Doch für die bulgarischen Einkäufer sind die Waren in den türkischen Läden ein Schnäppchen.

Bülent Reisoğlu, der Vorsitzende der Basargenossenschaft Ulus in Edirne, sagte, die Zahl der Ausländer habe sich in den letzten Wochen vervierfacht.

Die Parkplätze seien voll mit bulgarischen Autos. Es sei fast unmöglich geworden, Nummernschilder aus Edirne oder Istanbul zu sehen, sagte er. »Sie kaufen wie verrückt, ohne zu wissen, was sie kaufen«, beschrieb er die Situation. Die Menschen kauften bestimmte Sachen in fünf- bis zehnfacher Menge.

Auch Menschen aus dem benachbarten Griechenland tauschen demnach Euro in Lira um. Eine Käuferin sagte den Reportern, sie sei froh, Geschenke für ihre Familie und sich selbst kaufen zu können.

Während bulgarische und griechische Kunden die Geschäfte in Edirne belagern, bekommen die Menschen in der Türkei den Rückgang ihrer Kaufkraft schmerzlich zu spüren. Teils warten sie in langen Schlangen in der Kälte auf Brot. Präsident Erdoğan hat die türkischen Unternehmen aufgefordert, ihre Preise zu senken.

Als Hauptproblem der Lira gilt der rapide Glaubwürdigkeitsverlust der türkischen Notenbank. Die Zentralbank befindet sich seit Spätsommer ungeachtet einer hohen Inflation von zuletzt gut 21 Prozent auf striktem Zinssenkungskurs. Durch die Kursverluste der Lira wird die Teuerung aber nur noch weiter angefacht – ein Teufelskreis.

Präsident Erdoğan übt fortlaufend Druck auf die Notenbank aus, um die Zinsen weiter zu senken. Immer wieder entließ er Notenbankmitglieder, die sich seinem Kurs widersetzten.

Erdoğan vertritt entgegen gängiger volkswirtschaftlicher Lehre die Ansicht, dass hohe Zinsen die Inflation förderten. Noch Anfang Dezember verkündete er: »Zinsen sind ein Übel, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht.«

Im Rahmen seines neuen Wirtschaftsprogramms will Erdoğan billige Kredite, hohe Exporte und großes Wachstum schaffen.

mmq/AP/Reuters
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