Lobbyist Grover Norquist Obamas gefährlichster Gegner

Dieser Mann steckt hinter der Blockadehaltung der US-Republikaner: Grover Norquist hat fast allen Abgeordneten das Bekenntnis abgenommen, niemals die Steuern zu erhöhen. Dass die größte Wirtschaftsmacht ins Schuldendesaster schlittert, ist dem Lobbyisten egal - er sieht darin eine Chance.
Lobbyist Norquist: "Lasst mich in Ruhe"

Lobbyist Norquist: "Lasst mich in Ruhe"

Foto: ? Larry Downing / Reuters/ REUTERS

Washington - Einer der mächtigsten Lobbyisten der USA vergleicht sein Lebenswerk gerne mit dem Erfolg zweier Softdrinkkonzerne: "Ich wollte die Republikaner zu einer Marke machen, ähnlich wie Coca Cola und Pepsi", sagte Grover Norquist dem US-Magazin "Time". "Wie wäre es, wenn sie den Ruf einer No-tax-Party bekämen?" Also einer Anti-Steuer-Partei.

Die Idee hatte Norquist bereits vor 25 Jahren als Redenschreiber in Washington. Heute ist der Chef des Lobbyverbandes "Americans for Tax Reform" wohl der gefährlichste Gegner von US-Präsident Barack Obama. 277 der 287 republikanischen Abgeordneten und Senatoren im Kongress haben das Gelöbnis des Verbandes unterschrieben, niemals die Steuern zu erhöhen. Norquist bearbeitet die verbliebenen zehn systematisch, auf dass sie ihm auch noch folgen.

Damit gehört er zu den entscheidenden Strippenziehern im US-Haushaltsstreit. Aufgrund der Blockade der Republikaner im Kongress steuert Amerika derzeit auf ein Finanzdesaster zu. Wenn die Schuldengrenze nicht bis kommende Woche angehoben wird, droht dem Land die Zahlungsunfähigkeit.

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Doch für Norquist ist das kein Problem, im Gegenteil: Der Anti-Steuern-Lobbyist feiert die Schuldenkrise in einer Pressemitteilung als "Chance für alle Steuerzahler". Nun sei die Regierung endlich gezwungen, die Ausgaben des Staates deutlich zu reduzieren. Die seien schließlich das Hauptproblem: "Jeder, der unser Problem in dem Haushaltsloch sieht, ist entweder ein Demokrat, der Steuern erhöhen will. Oder er ist ein Dummkopf, der nicht weiß, wovon er spricht."

Auch wenn Aussagen wie diese etwas anderes vermuten lassen: Norquist ist kein krawalliger Populist, der als Lautsprecher durchs Land reist. Der 54-Jährige präsentiert sich als Stimme der Vernunft, als Sprachrohr des einfachen Bürgers, der sich gegen Eingriffe des Staates wehrt. Seine Position ist in den Washington-kritischen USA durchaus beliebt - auch wenn sie vor allem den Stärksten einer Gesellschaft nutzt. In Diskussionsrunden und Talkshows argumentiert Norquist stets bedächtig, Einwände wehrt er schmunzelnd ab.

Er führt Buch über jeden, der das Gelöbnis unterzeichnet

Doch klar ist auch: Norquists Anti-Steuer-Gelöbnis ist höchst gefährlich. Der Pakt blockiert eine Lösung der Finanzprobleme des Staates. Für die Republikaner macht sich das Versprechen in Wahlkämpfen zwar durchaus bezahlt. Kommt es jedoch darauf an, Kompromisse zu schließen - also konkret Politik zu gestalten - ist die Partei handlungsunfähig.

Denn was passiert, wenn ein Republikaner gegen den Pakt mit Norquist verstößt, zeigte sich 1992. Der damalige Präsident George Bush senior hatte das Gelöbnis ebenfalls unterschrieben - und die Steuern dennoch erhöht. Norquist entzog Bush die Unterstützung, und dieser verlor die Wahl gegen Bill Clinton.

Mittlerweile hat der Lobbyist sein System sogar verschärft: Er führt genau Buch über jeden Politiker, der sein Gelöbnis unterzeichnet. Wer es bricht, bekommt bei der nächsten Kandidatur einen Gegenkandidaten, den Norquist dann massiv mit Wahlkampfspenden fördert. Dieser Druck sorgt dafür, dass seit 1991 kein von den Republikanern geführter Kongress mehr Steuern erhöht hat. "Norquist ist wie ein römischer Kaiser", sagte ein Politikberater dem Magazin "Business Week". "Er hebt und senkt den Daumen." Seine Macht sei heute größer als jemals zuvor.

Diese Macht hat Norquist nicht zuletzt Obamas Vorgänger zu verdanken. Als Dank für die Unterstützung im Wahlkampf senkte George W. Bush junior massiv die Steuern für Besserverdienende. Diese Regeln gelten bis heute und tragen einen Gutteil zum Mega-Defizit der USA bei.

Frühkindlich geprägte Abneigung gegen den Staat

Doch Norquist ficht das nicht an: Er sagt, das Defizit sei lediglich die Folge eines zu starken Staates. Seine Abneigung gegen die Eingriffe aus Washington begründet er auch schon mal mit einer frühkindlichen Prägung. So habe sein Vater ihm und seinen Geschwistern nach dem Kirchgang stets ein Eis ausgegeben. Dann sei er aber von einem zum anderen gegangen und habe sich jeweils einen Bissen stibitzt - mit dem Spruch: "Oops, das ist die Einkommensteuer, oops, das ist die Mehrwertsteuer." Norquist sagt, er habe das gehasst.

Seine Abneigung gegen den Staat beschränkt sich allerdings nicht auf das Steuersystem: 2008 verfasste er ein Buch mit dem Titel "Leave me alone! - Getting the Government's Hands Off Our Money, Our Guns, Our Lives". Auf Deutsch: "Lasst mich in Ruhe! - Der Staat soll seine Finger von unserem Geld, unseren Waffen und unserem Leben lassen."

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