Trotz Luxemburg-Enthüllungen Ein Herz für Steuersünder

Nach den Enthüllungen über Steuertricks in Luxemburg wollten Europaparlament und Kommission endlich Ernst machen im Kampf gegen Steuerschlupflöcher. Doch der Elan ist längst wieder erlahmt.
EU-Kommissionspräsident Juncker: Muss wohl keine Steuerprüfung fürchten

EU-Kommissionspräsident Juncker: Muss wohl keine Steuerprüfung fürchten

Foto: THIERRY CHARLIER/ AFP

Jean-Claude Juncker fühlt sich gerade ziemlich fest im Sattel. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche die EU-Kommission besuchte, posierte der Kommissionspräsident mit der Christdemokratin lächelnd vor einer riesigen deutschen und europäischen Flagge. Merkel bekräftigte prompt, ihr gutes Verhältnis zu Juncker zu betonen sei so überflüssig "wie Kühlschränke an Eskimos zu verkaufen".

Und Juncker beteuerte, er verstehe gar nicht den "Starrsinn" deutscher überregionaler Medien, die Spannungen zwischen ihm und der wichtigsten EU-Regierungschefin herbeischreiben wollten.

Einer der Gründe für die Junckersche Gelassenheit: Die Empörung, die die Lux-Leaks-Enthüllungen über Steuervermeidungspraktiken in Luxemburg hervorrief, lässt nach. Juncker hat dort fast 19 Jahre als Premierminister regiert. Auch weil weder EU-Kommission noch Europaparlament die Aufarbeitung sonderlich ernst nehmen, entgegen feierlicher Versprechen unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Skandals.

Im Parlament hatten zwar 194 Mitglieder für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Lux Leaks gestimmt. Doch die Chefs der großen Fraktionen einigten sich in letzter Minute darauf, nur einen Sonderausschuss mit beschränkten Befugnissen einzuberufen. Der angebliche Grund: Bedenken des juristischen Dienstes im Europaparlament.

Der 45 Abgeordnete starke Ausschuss soll kommende Woche erstmals tagen - aber wohl nicht allzu umfassend ermitteln, schon weil sein Mandat auf ein halbes Jahr begrenzt ist. "In sechs Monaten kann man nicht ernsthaft die komplizierten Themen erfassen, daher erwarte ich von dem Ausschuss kaum Fortschritte im Kampf gegen Steuertricks", sagt Ausschussmitglied Markus Ferber (CSU).

Andere Abgeordnete beklagen, dass wohl keine Vorstandsvorsitzenden beteiligter Unternehmen geladen werden sollen. Ob eine Vorladung von politisch Verantwortlichen wie Juncker selbst gelingen wird, bleibt ebenfalls unklar.

Große Koalition für Juncker

Der Ausschussvorsitzende Alain Lamassoure, ein Juncker-Parteifreund im Europaparlament, äußerte sich in Interviews jedenfalls betont versöhnlich, diese hätten ja legal gehandelt. Der Franzose scheint mit dem kurzen Mandat kein Problem zu haben, "er wirkt wild entschlossen, die Untersuchung binnen sechs Monaten durchzuziehen", sagt Ferber. Auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold kritisiert: "Es kann nicht sein, dass der Vorsitzende des Sonderausschusses schon vor der ersten Sitzung öffentlich erklärt, dass er die Arbeit des Ausschusses stark beschränken will. Es müssen aber alle Steuerspartricks untersucht werden. Nicht nur die, über die sich jetzt schon alle aufregen."

Hintergrund ist das Bestreben einer Großen Koalition aus Schwarzen und Roten im Europaparlament - die erst Juncker inthronisieren half und ihn nun im politischen Alltag absichert.

Zwar hatte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) im Februar SPIEGEL ONLINE noch gesagt: "Ich möchte vor allem ein Ziel erreichen: aufklären, welche verbotenen Beihilfen es über Steuerbegünstigungen gegeben hat und noch gibt und wer daran beteiligt war. Zudem ist mir wichtig, dass wir in der EU endlich Schritte einleiten, um gegen Steuerdumping, Steuervermeidung und Steuerflucht wirksam anzugehen. Dass das weit über Luxemburg hinausreicht, ist klar."

Der Sozialdemokrat richtete damals zudem einen Appell an den Kommissionspräsidenten: "Ich habe Jean-Claude Juncker gesagt: Das ist keine Frage der Freundschaft Juncker-Schulz. Wenn er es ernst meint, dass wir die Steuerflucht bekämpfen müssen, dann ist die Kommission gut beraten, mit diesem Ausschuss eng zusammenzuarbeiten."

Aber von Feuereifer ist in der Kommission wenig zu spüren. Am 18. März will EU-Währungskommissar Pierre Moscovici - unter anderem für Steuerfragen zuständig - zwar Vorschläge für den Kampf gegen Steuerschlupflöcher präsentieren.

Schwacher Kommissionsvorschlag

Doch dem Vernehmen nach soll es eher wenig zu verkünden geben. Moscovici werde sich anscheinend auf Änderungen bestehender Richtlinien beschränken, heißt es, und Verbesserungen beim Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten anregen.

"Das ist ja nett, aber schlicht nicht genug, um den Kampf gegen Steuerschlupflöcher entschlossen voranzutreiben - und dadurch jene zu schützen, die keine Steuern in großem Stil sparen können, etwa abhängig Beschäftigte oder der Mittelstand", sagt Ferber.

Auch Finanzexperte Giegold schimpft: "Das angekündigte "Steuerpaket" der EU-Kommission schrumpft auf einige wenige Änderungen einer bestehenden Richtlinie zusammen und wird kaum Fortschritt bringen. Juncker muss nun den Streit in der Kommission beenden und sich klar für Berichtspflichten in jedem Mitgliedsland aussprechen. Mit seinem Schlingerkurs ruiniert er nur seine persönliche Glaubwürdigkeit in Steuerfragen weiter."

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