EZB-Chef Ombudsmann prüft Draghis Lobby-Mitgliedschaft

EZB-Chef Draghi: Zweifelhafte Nähe zwischen Banken, Politikern und Bankenaufsicht
Foto: ALEX DOMANSKI/ REUTERSBerlin - Es war eine exklusive Runde, die sich auf Einladung der Group of Thirty in einem Washingtoner Konferenzzentrum zusammen gefunden hatte: Eröffnet wurde die Tagung im Oktober 2010 von Jacob A. Frenkel, dem damaligen Aufsichtsratschef von JP Morgan Chase International. Den ganzen Tag diskutierten hochrangige Banker und Finanzpolitiker über die Auswirkungen der Bankenkrise. Gegen Mittag betrat auch Mario Draghi das Podium, zu dieser Zeit noch Gouverneur der italienischen Zentralbank, um Reformen am Finanzmarkt zu diskutieren. Fotos des Tages zeigen ihn gemeinsam mit dem früheren US-Notenbankchef Paul Volcker.
Das internationale Bankenseminar der Group of Thirty (G30) findet jedes Jahr zeitgleich mit dem Herbsttreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank statt und ist nur für ausgewählte Besucher zugänglich. Hinter der G30 verbirgt sich ein Zusammenschluss führender Banker und Ökonomen, die nach eigenen Angaben Einfluss auf die Entscheidungen im Finanzsektor nehmen wollen. Prominente Mitglieder sind unter anderem hochrangige Vertreter von Goldman Sachs, Morgan Stanley und JPMorgan Chase International sowie ehemalige und amtierende Zentralbankchefs. Axel Weber, Ex-Präsident der Deutschen Bundesbank, gehört ebenfalls zu der einflussreichen Runde.
Seit vielen Jahren ist auch Mario Draghi Mitglied der G30. Daran änderte sich auch nichts, als Draghi im vergangenen Jahr zum Chef der Europäischen Zentralbank aufstieg. Die G30 kommentierte seinen Karrieresprung sogar euphorisch in einer Mitteilung: Draghi gehöre zu jenen Mitgliedern des Clubs, die eine noch herausforderndere Position in der Weltwirtschaft angenommen hätten.
Doch die umjubelte Doppelrolle bringt dem Italiener nun Probleme ein: Der EU-Ombudsmann Nikiforos Diamandouros hat Ermittlungen gegen Draghi aufgenommen und der Zentralbank einen verbindlichen Fragenkatalog zugeschickt. Bis zum 31. Oktober soll die EZB mitteilen, wie sie Draghis Rolle in der G30 bewertet und ob sie in seiner Mitgliedschaft einen Interessenkonflikt sieht.
Der EU-Ombudsmann prüft Beschwerden gegen Institutionen der EU, die sowohl von Bürgern als auch Verbänden eingebracht werden können. Für Aufsehen sorgte zuletzt das Verfahren gegen die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). So hat der Ombudsmann die EFSA im Dezember 2011 aufgefordert, ihre Regeln und Verfahren zu stärken, um Interessenkonflikte zu verhindern. Den Anlass für das Verfahren hatte der Wechsel einer EFSA-Abteilungsleiterin zu einer privaten Biotechnologie-Firma geliefert.
"Klarer Interessenkonflikt"
Kenneth Haar, dessen Verein Corporate Europe Observatory die Beschwerde beim EU-Ombudsmann eingebracht hat, sieht einen klaren Interessenkonflikt zwischen Draghis Mitgliedschaft in der G30 und dessen Amt: "Die EZB nimmt in eine immer größer werdende Rolle bei der Bankenregulierungein", sagt Haar. "Es sollte uns Sorgen bereiten, dass ausgerechnet ein Mitglied der G30 ihr Chef ist."
Die Zentralbank bestätigte, dass die Fragen des Ombudsmanns bei ihr eingegangen seien, wies die Vorwürfe eines Interessenskonfliktes jedoch zurück.
Die Untersuchung des EU-Ombudsmanns wirft erneut ein Schlaglicht auf die Nähe zwischen Banken, Politikern und Bankenaufsicht. Bis zur Finanzkrise war es vor allem in den USA und in England üblich, dass hochrangige Banker im Laufe ihrer Karriere zweitweise auch für die Regierung arbeiteten. Besonders Mitarbeiter der US-Investmentbank Goldman Sachs wechselten häufig die Seiten. So arbeitete etwa der ehemalige US-Finanzminister Henry Paulson zuvor als Vorstandsvorsitzender der US-Bank.
Um den EZB-Chef Mario Draghi hatte es bereits bei seinem Amtsantritt Diskussionen gegeben. Der 64-Jährige arbeitete zwischen 2002 und 2005 als Vizepräsident bei Goldman Sachs International und war für das Europa-Geschäft zuständig. Die Bank soll Griechenland dabei geholfen haben, das riesige Haushaltsdefizit des Landes zu verschleiern. Nur so habe Griechenland dem Euro beitreten können. Draghi bestreitet jedoch bis heute, von dem umstrittenen Geschäft gewusst zu haben.