Sozialer Wohnungsbau Massiv gefördert, kaum gebaut

Sozialwohnungen (in Frankfurt am Main)
Foto: Susann Prautsch/ picture alliance / Susann PrautsEs war nur eine kurze Anfrage: Welche Fördermöglichkeiten es für sozialen Wohnungsbau gebe, wollte ein Projektentwickler wissen. Die Antwort war komplizierter, als Ulrich Jacke erwartet hatte. Monatelang wühlte sich der Geschäftsführer der Immobilienberatungsfirma Dr. Lübke & Kelber durch die Förderprogramme aller 16 Bundesländer, das Ergebnis wird nun veröffentlicht .
Der Grund für den Aufwand: "Wir sehen die dringende Notwendigkeit für den Neubau bezahlbarer Wohnungen, weil sich die wenigsten Haushalte die Mieten von aktuellen Neubauten leisten können", sagt Jacke. Zwar ist die Wohnkostenschmerzgrenze für jeden Haushalt unterschiedlich. Mehr als ein Drittel seines Einkommens zahlt aber kaum jemand freiwillig für Miete, Heizung und Strom. Mit den durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen in Deutschland hat Jacke errechnet, dass nur zehn Prozent aller Mieterhaushalte sich einen Quadratmeterpreis von mehr als 13 Euro leisten kann.
Doch günstiger Wohnraum ist gerade in Großstädten, Ballungsräumen und an Universitätsstandorten kaum zu finden. 350.000 neue Wohnungen braucht Deutschland laut Bundesbauministerium - pro Jahr. 80.000 davon müssten demnach auch für Haushalte mit geringeren Einkommen bezahlbar sein. Beide Zahlen werden derzeit weit verfehlt: Insgesamt wurden 2015 bundesweit nicht mal 250.000 Wohnungen fertiggestellt - und weniger als 15.000 Sozialwohnungen.
Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften gibt es in Deutschland kaum noch, seitdem viele Kommunen während der Privatisierungseuphorie in den Neunzigerjahren ihre Liegenschaften verkauften. Und die unzähligen Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau verpuffen offenbar weitgehend wirkungslos.
Warum das so ist, hat Dr. Lübke & Kelber versucht herauszufinden und dafür nach eigenen Angaben mehr als 1000 Unternehmen der Immobilienwirtschaft befragt. Dazu gehören Immobilien-AGs, Wohnungsunternehmen, Pensionskassen, Versicherungsunternehmen oder Fondsanbieter - alle investieren in Immobilien als sichere Anlage.
Das Ergebnis der Umfrage: Der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau ist für diese Unternehmen eher unattraktiv - wegen der Mietpreisbindung, der angeblich problematischen Mietklientel oder zu langer Laufzeiten der Förderprogramme. Das wichtigste Argument aber ist die geringere Rendite. Das größte Problem ist demnach die Förderung an sich.
Sozialer Wohnungsbau ist seit gut zehn Jahren Ländersache, die Förderbedingungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, meist sogar von Kommune zu Kommune. Am liebsten vergibt die öffentliche Hand aber billige Kredite. Weil gerade Pensionskassen und Versicherungsunternehmen vor allem Eigenkapital anlegen wollen, brauchen sie in der Regel überhaupt kein Darlehen von den Ländern.
Dazu kommen Sorgen über die "typische sozialschwache Mieterklientel", wie es in der Auswertung heißt. Sie soll den Investoren zufolge eine ganze Reihe Probleme verursachen: "höhere Ausgaben für Instandhaltung, höherer Verwaltungsaufwand, verschlechtertes Verkaufspotenzial der Immobilie". Immerhin zeigen sich drei Viertel der Umfrageteilnehmer grundsätzlich dazu bereit, in den Sozialwohnungsbau zu investieren - allerdings nicht zu den aktuellen Bedingungen.
Statt günstiger Kredite und langer Förderzeiträume schlagen die wichtigsten Player auf dem Wohnungsbaumarkt eine für sie viel attraktivere Lösung vor: Der Staat solle ärmeren Haushalten unter die Arme greifen, beispielsweise durch die Ausweitung des Wohngelds - eine Umstellung von der Objektförderung zur Subjektförderung. Der Vorteil für die Investoren: Sie müssten sich nicht auf Förderbedingungen einlassen und könnten die Miete frei festlegen.
Der Deutsche Mieterbund hält von diesen Vorschlägen nichts. "Wenn die Bundesländer auf Subjektförderung umstellen, dann müsste der Kreis der Berechtigten stark erweitert werden", sagt Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz. "Vor allem aber würden keine neuen Wohnungen mehr gebaut werden." Stattdessen würden die mit staatlicher Hilfe etwas finanzkräftigeren Mieter wohl eher die Nachfrage erhöhen und die Quadratmeterpreise noch weiter steigen lassen.
Eine Lösung scheint nicht in Sicht: Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt bundesweit immer schneller, allein von 2010 bis 2016 schrumpfte die Zahl von fast 1,7 Millionen auf nur noch knapp 1,3 Millionen. Und von 2020 an wird den Bundesländern noch mehr Geld fehlen: Dann stoppt der Bund nämlich seine jährlichen Überweisungen für die soziale Wohnraumförderung - von mehr als einer Milliarde Euro.