Milliarden-Bauprojekt Bahn-Chef spricht "S21"-Gegnern Widerstandsrecht ab

Der Bahn-Chef attackiert die Gegner von "Stuttgart 21": Alles sei demokratisch legitimiert, es gebe kein Recht auf Widerstand gegen den Bahnhofsbau, sagt Rüdiger Grube. Grünen-Chef Özdemir warnt dagegen davor, das Milliardenprojekt "durchzuprügeln".
Demonstration gegen Polizeigewalt und "Stuttgart 21" (am Freitag): "Bei uns entscheiden Parlamente, niemand sonst", sagt Grube

Demonstration gegen Polizeigewalt und "Stuttgart 21" (am Freitag): "Bei uns entscheiden Parlamente, niemand sonst", sagt Grube

Foto: Marijan Murat/ dpa

Berlin - Nur ein Mann dürfte bei den Gegnern von "Stuttgart 21" ähnlich unbeliebt sein wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus - der Bahn-Chef Rüdiger Grube. Und der Vorstandsvorsitzende des Staatskonzerns bemüht sich auch nicht unbedingt, an diesem Bild etwas zu ändern. In der "Bild am Sonntag" bezeichnete er die Proteste gegen das umstrittene Bahn-Projekt "Stuttgart 21" nun als nicht gerechtfertigt. "Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht", schreibt Grube in einem Gastbeitrag.

Das Bauprojekt sei demokratisch ausreichend legitimiert. "Bei uns entscheiden Parlamente, niemand sonst. Unsere frei gewählten Volksvertreter haben das Dutzende Mal getan: im Bund, im Land, in Stadt und Region. Immer mit großen Mehrheiten", sagte Grube.

Auf Seiten der Protestler haben in den letzten Wochen die Grünen die Rolle der Wortführer übernommen. Für sie könnte sich die Auseinandersetzung mit Blick auf die Landtagswahlen im nächsten Jahr auszahlen, in Umfragen liegt die Öko-Partei schon bei 27 Prozent, die Mappus-CDU nur noch bei 35 Prozent.

In der "Bild am Sonntag" ist es dann auch Parteichef Cem Özdemir, der Grube widerspricht. Er schreibt in einem Gastbeitrag, das Projekt sei angesichts der jüngsten gewalttätigen Auseinandersetzungen nicht mehr durchsetzbar. "Stuttgart 21 kann nicht gegen friedliche Demonstranten durchgeprügelt werden."

"Sonst wird bei uns keine Brücke mehr gebaut"

Am Donnerstag waren die Proteste in Stuttgart eskaliert: Nach Behördenangaben wurden 130 Demonstranten bei dem Einsatz der Polizei von Wasserwerfern und Pfefferspray verletzt. Nach Angaben der Demonstranten gab es weitere 280 Verletzte. Auch sechs Polizisten erlitten Verletzungen.

Der Umbau des bisherigen Stuttgarter Kopfbahnhofs sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Während einer insgesamt zehnjährigen Bauzeit soll er durch eine Verlegung in den Untergrund zu einer Durchgangsstation gemacht werden, außerdem soll in Richtung Ulm eine Schnellbahnverbindung entstehen. Die Gegner warnen vor hohen Kosten, negativen ökologischen Folgen und Sicherheitsgefahren durch das Milliardenprojekt. Die Befürworter warnen davor, dass ein Scheitern von "Stuttgart 21" schwerwiegende Folgen für alle große Infrastrukturprojekte in Deutschland hätte.

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"Stuttgart 21": Proteste gegen Polizeigewalt

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Diese Gefahr hob auch Grube in der "Bild am Sonntag" erneut hervor: "Es gehört zum Kern einer Demokratie, dass solche Beschlüsse akzeptiert und dann auch umgesetzt werden. Sonst werden bei uns keine Brücke, keine Autobahn und kein Windkraftpark mehr gebaut."

Özdemir dagegen plädiert für einen Baustopp: Die Parlamente hätten "in Unkenntnis über die wahren Kosten und Risiken" über das Projekt abgestimmt. "Wir brauchen einen Baustopp, dann einen Volksentscheid", forderte der Grünen-Chef. Wenn die Befürworter sich ihrer Argumente so sicher seien, "sollten sie damit kein Problem haben".

Hinweis der Redaktion: In einer ersten Version dieses Textes hieß es, Bahn-Chef Grube habe den "Stuttgart 21"-Gegnern das "Demorecht" abgesprochen. Die Bahn weist darauf hin, Grube habe ihnen nur das Recht auf "Widerstand" abgesprochen. Wir bitten unsere Leser, die Ungenauigkeit der Formulierung zu entschuldigen.

cte/AFP/Reuters
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