Urteil Arbeitgeber müssen Mindestlohn auch bei Krankheit zahlen

Wer krank ist, hat einen Anspruch auf den Mindestlohn - so das Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Die Entscheidung gilt zunächst für bundesweit bis zu 22.000 Arbeitnehmer. Experten sehen darin eine Richtungsentscheidung.
Bundesarbeitsgericht in Erfurt: Hoher Klärungsbedarf beim Mindestlohngesetz

Bundesarbeitsgericht in Erfurt: Hoher Klärungsbedarf beim Mindestlohngesetz

Foto: Martin Schutt/ dpa

Erfurt - Das Bundesarbeitsgericht stoppt die Praxis einiger Arbeitgeber, den Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu zahlen. Wer wegen Krankheit ausfällt, hat Anspruch auf den Mindestlohn, entschieden die höchsten deutschen Arbeitsrichter in Erfurt. Sie gaben wie die Vorinstanzen einer Klägerin aus Niedersachsen recht, die unter anderem auf Krankengeldzahlungen nach der Mindestlohnregelung für pädagogisches Personal gepocht hatte.

Ihr Arbeitgeber, eine Aus- und Weiterbildungsfirma, wollte für diese Zeit ohne tatsächlich geleistete Arbeitsstunden nur die niedrigere betriebliche Vergütung gewähren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Revision der niedersächsischen Firma ab.

Die Bundesarbeitsrichter in Erfurt beschäftigten sich erstmals seit Inkrafttreten des Gesetzes im Januar mit einer Mindestlohnregelung. Die Entscheidung gilt zunächst zwar nur für bundesweit bis zu 22.000 Arbeitnehmer in Aus- und Weiterbildungsfirmen. Arbeitsrechtler sehen darin aber eine Richtungsentscheidung auch für Fälle nach dem Mindestlohngesetz. "Es wirft ähnliche Fragen auf", sagte ein Arbeitsrichter.

Klägerin steht Nachzahlung von rund 1029 Euro zu

"Das ist für mich ein deutliches Signal in Richtung Mindestlohngesetz, dass da auch bei Krankheit 8,50 Euro pro Stunde gezahlt werden müssen", sagte Kerstin Jerchel, Juristin beim Ver.di-Bundesvorstand in Berlin.

Der Zehnte Senat begründete seine Entscheidung mit dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Das gelte auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richte, die "keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält", erklärten sie. Der Klägerin, die als Ausbilderin arbeitet, steht nun eine Nachzahlung von rund 1029 Euro zu. In der Branche liegt der Mindestlohn bei 12,60 Euro pro Stunde.

"Das Mindestlohngesetz wird einigen Arbeitsstoff für die Gerichte produzieren", hatte Bundesarbeitsgerichtspräsidentin Ingrid Schmidt kürzlich gesagt. Klärungsbedarf gebe es nicht nur bei der Entgeltfortzahlung, sondern auch bei Praktikantenverhältnissen, Zulagen oder Zuschlägen.

yes/dpa

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