Nach nur zwei Wochen Union will Mindestlohn verwässern

Arbeitsministerin Nahles: "Über das Ziel hinausgeschossen"
Foto: AP/dpaBerlin/Hamburg - Es sollte wohl so etwas wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk sein, das Arbeitsministerin Andrea Nahles der Wirtschaft Mitte Dezember machte. Kurz vor Start des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro lockerte die SPD-Politikerin die Bürokratievorschriften für Betriebe massiv: Arbeitgeber müssen seit dem 1. Januar die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten nur noch bei denen mit einem Monatseinkommen von knapp unter 3000 Euro dokumentieren. Ursprünglich sollte die Einkommensgrenze bei 4500 Euro liegen.
Doch jetzt wird klar: Das Geschenk war den Empfängern zu klein. "Die durch die Verordnung vorgesehenen Erleichterungen bei der Dokumentationspflicht des Mindestlohns sind nicht ausreichend", heißt es in einem Bundestagsantrag des Wirtschaftsflügels der Unionsfraktion, der SPIEGEL ONLINE vorliegt. Die Antragssteller dringen darin darauf, die Aufzeichnungspflichten für Unternehmen in Teilen komplett fallenzulassen, in manchen zumindest zu verringern.
Konkret fordern die Urheber die Bundesregierung in dem Papier auf:
- Die Dokumentationspflicht auf eine Einkommenshöhe von 1900 Euro herabzusenken. Derzeit liegt sie bei 2958 Euro.
- Für Minijobber die Aufzeichnungspflicht komplett zu streichen, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt, aus dem sich der vereinbarte Stundenlohn und die Arbeitszeit eindeutig ergeben.
Aktuell verpflichtet die Mindestlohn-Verordnung Unternehmen dazu, die Arbeitszeit aller 6,8 Millionen Minijobber aufzuzeichnen. Ausgenommen sind die Beschäftigten in Privathaushalten. Daneben müssen neun stark von Schwarzarbeit betroffene Branchen, wie etwa die Bau- oder Fleischwirtschaft, Beginn, Dauer und Ende der Dienstzeit dokumentieren und zwei Jahre lang archivieren. Sollten sie dagegen verstoßen, drohen ihnen Bußgelder in Höhe von bis zu 30.000 Euro.
Schon früh hatten Unternehmen vor einem "Bürokratiemonster" Zeiterfassung gewarnt und Nachbesserungen gefordert - das auch erfolgreich, wie die Nahles-Verordnung vom Dezember zeigt. Die großen Wirtschaftsverbände plädierten zuletzt dennoch dafür, die Dokumentationspflicht auf Beschäftigte mit einem Gehalt von maximal 2200 bis 2400 Euro zu beschränken.
Heikles Thema für Kanzlerin Merkel
Der Wirtschaftsflügel der Union geht nun deutlich weiter, der entsprechende Antrag des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) wurde am Mittwoch einstimmig beschlossen. "Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ist mit ihrer Verordnung zum Mindestlohn über das Ziel hinausgeschossen", sagte PKM-Vorsitzender Christian von Stetten SPIEGEL ONLINE. "Die Verordnung der Ministerin muss unverzüglich entbürokratisiert und praxistauglich ausgestaltet werden."
Wie weit die Unions-Mittelständler mit ihrer Initiative kommen, ist noch unklar. Sicher ist, sie kommt für Kanzlerin Angela Merkel ungelegen. Die CDU-Chefin ist froh, dass das heikle Thema Mindestlohn abgeräumt ist, besonders beliebt war die Idee in Reihen der Union ohnehin nie. Doch viele in der Unionsfraktion sind auf Seiten der Wirtschaftsleute. Auch CSU-Parteichef Horst Seehofer hatte zuletzt klar gemacht, dass die komplizierten Ausführungsverordnungen überarbeitet werden müssten.