Internationaler Vergleich Deutscher Mindestlohn ist nur Mittelmaß

Kellnerin: Seit Januar gilt der Mindestlohn in Deutschland
Foto: Joerg Sarbach/ APBerlin - Seit Jahresbeginn gilt in Deutschland der Mindestlohn. Die Union mäkelt am Gesetz und den entsprechenden Verordnungen herum, Unternehmen beklagen Bürokratie, und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzt darauf, dass sich schon noch alles zurechtruckelt.
Ein Blick auf andere EU-Länder zeigt: Deutschland ist in Sachen Mindestlohn ein Nachzügler. Insgesamt gilt in 22 der 28 EU-Staaten ein gesetzlicher Mindestlohn. Deutschland ist jetzt erst hinzugestoßen - mit 8,50 Euro pro Stunde.
Eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Die meisten EU-Länder haben ihren gesetzlichen Mindestlohn zuletzt sogar angehoben. In 16 Staaten sei die gesetzliche Lohnuntergrenze zum 1. Januar gestiegen, schreibt das WSI.
Der höchste Mindestlohn wird demnach in Luxemburg bezahlt, wo er zu Jahresbeginn um 0,2 Prozent auf 11,12 Euro kletterte. Den zweithöchsten Mindestlohn gibt es mit 9,61 Euro in Frankreich, was einem Zuwachs von 0,8 Prozent entspricht. Auch andere deutsche Nachbarn hoben ihre Lohnuntergrenze an, darunter die Niederlande auf 9,21 Euro und Belgien auf 9,10 Euro.
"Die Erhöhungen fielen überwiegend etwas stärker aus als in den Vorjahren", sagte WSI-Tarifexperte Thorsten Schulten. "Da gleichzeitig die Inflation sehr niedrig war, legten die Mindestlöhne in den meisten EU-Ländern auch real zu."
In Deutschland soll die sogenannte Mindestlohn-Kommission alle zwei Jahre Vorschläge machen, in welchem Umfang der Mindestlohn angehoben werden soll. Das neunköpfige Gremium, in dem Arbeitgeber und Gewerkschaften vertreten sind, hat Ende Februar seine Arbeit aufgenommen.
Im internationalen Vergleich liegt der deutsche Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro pro Stunde im Mittelfeld. Die WSI-Forscher zogen zum Vergleich den sogenannten Medianlohn, den Vollzeitbeschäftigte verdienen, heran.
Der Medianlohn teilt das Lohnspektrum in zwei Hälften - 50 Prozent der Beschäftigten verdienen mehr, die anderen 50 Prozent weniger als den Medianlohn. Deutlich höher im Vergleich zum Medianlohn in Deutschland liegen dem Bericht zufolge die Mindestlöhne unter anderem in Frankreich, Slowenien, Neuseeland oder der Türkei; deutlich niedriger sind sie unter anderem in Japan, den USA oder Tschechien.
Allerdings profitieren deutsche Mindestlohnbezieher laut dem Bericht von den relativ günstigen Lebenshaltungskosten. Ihre Kaufkraft ist etwas höher als die von Beschäftigten, die in den Niederlanden, Belgien oder Irland für den Mindestlohn arbeiten müssen.
Sechs EU-Staaten haben keinen nationalen Mindestlohn: Dänemark, Finnland, Schweden, Österreich, Italien und Zypern. In diesen Ländern existieren aber laut dem WSI Lohnuntergrenzen für bestimmte Bereiche, die in der Regel durch Tarifverträge festgelegt werden.