Coronakrise Deutsche Wirtschaft bricht um mehr als zehn Prozent ein

Die deutsche Wirtschaft ist wegen der Pandemie auch im zweiten Quartal im Rekordtempo geschrumpft - noch stärker als von Ökonomen befürchtet.
Geschäftsschließung in Baden-Württemberg

Geschäftsschließung in Baden-Württemberg

Foto: Marijan Murat/ DPA

Die deutsche Wirtschaft hat auf dem bisherigen Höhepunkt der Coronakrise einen noch nie da gewesenen Einbruch erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt fiel von April bis Juni um 10,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen für Deutschland, Quartalsergebnisse werden erst seit dem Jahr 1970 ausgewiesen. Europas größte Volkswirtschaft steckt in einer tiefen Rezession.

Nach Angaben der Wiesbadener Behörde sind sowohl Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen als auch die privaten Konsumausgaben und die Investitionen der Unternehmen deutlich eingebrochen. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise.

Im Vorjahresvergleich brach die Wirtschaftsleistung um 11,7 Prozent ein. Den bisher stärksten Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal hatte es während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise mit minus 7,9 Prozent im zweiten Quartal 2009 gegeben.

Volkswirte gehen davon aus, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr anzieht, vorausgesetzt die Infektionszahlen steigen nicht wieder deutlich an. Die wegen des Virus verhängten Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft wurden seit Mai zunehmend gelockert. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stehen die Zeichen "eindeutig auf Erholung", den Tiefpunkt der wirtschaftlichen Aktivität habe Deutschland bereits im April erreicht. Es werde aber wohl zwei Jahre dauern, bis der Rückgang vom Frühjahr wettgemacht sei.

Ökonom: "Der Einbruch ist epochal"

Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Group, prophezeit der veröffentlichen Zahl einen "festen Platz in den Geschichtsbüchern". Der Einbruch des deutschen Bruttoinlandsprodukts sei epochal, glaubt Gitzel: "Normalerweise ist so etwas nur zu Kriegszeiten beobachtbar." Gleichzeitig gehöre das Zahlenwerk bereits der Vergangenheit an.

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Wie es um die Wirtschaft tatsächlich steht, "offenbart sich erst zum Jahresende", so der Ökonom. Dann könnte entweder eine zunehmende Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen oder aber eine zweite Infektionswelle den Verlauf der deutschen Konjunktur prägen.

Die Bundesregierung hat für die Jahre 2020 und 2021 ein insgesamt 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket aufgelegt. Unter anderem wurde die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt: von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise 7 auf 5 Prozent. Das soll den Konsum ankurbeln.

Nach Auffassung des Marktforschungsinstituts GfK zeigen sich bereits erste Effekte. "Die Anschaffungsneigung ist sehr stark angestiegen", sagte Konsumforscher Rolf Bürkl bei der Vorstellung der Konsumklima-Studie für Juli. "Die Verbraucher beabsichtigen offenbar, geplante größere Anschaffungen vorzuziehen, was dem Konsum in diesem Jahr hilft."

Auch in den Unternehmen hat sich die Stimmung aufgehellt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli den dritten Monat in Folge.

Die Bundesregierung rechnet trotz der erwarteten Erholung im Gesamtjahr mit der schwersten Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie ging zuletzt von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent aus. Ähnlich düster sind andere Vorhersagen. In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent geschrumpft.

Anmerkung: In einer früheren Fassung stand, dass der Rückgang des BIP um mehr als zehn Prozent der stärkste sein Beginn der Berechnungen 1970 gewesen sei. Erst seit 1970 werden Quartale ausgewiesen. Das jährliche BIP wird dagegen schön länger berechnet. Wir haben die Stelle präzisiert.

rai/dpa/reuters
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