Möglicher Milliardenschatz US-Investoren klagen Anleihen aus Weimarer Republik ein

Alte deutsche Staatsanleihen: In den anstehenden Prozessen soll es um Milliarden gehen
Foto: Chris O'Meara/ APHamburg/Miami - Die Papiere sind älter als 80 Jahre, sie stammen aus Deutschland, und keiner weiß genau, wie viel sie heute wert sind. Fest steht nur: Sie gehören sechs amerikanischen Investoren - und die ziehen nun gegen die Bundesrepublik Deutschland vor Gericht.
Der Hintergrund: Die Weimarer Republik hat in den zwanziger Jahren massenweise Staatsanleihen ausgegeben, um so die Folgen des Ersten Weltkriegs zu finanzieren. Seitdem sind die Papiere in Umlauf und werden in den USA munter gehandelt. Doch nun pochen die gegenwärtigen Besitzer auf Auszahlung - und wenden sich an die Bundesrepublik als Nachfolgerin der Weimarer Republik.
Schon vor rund einem Monat war der Fall vor einem Gericht in Miami verhandelt worden. Damals scheiterte die Bundesregierung mit ihrem Argument, die Fälle dürften nicht vor US-Gerichten verhandelt werden. Nun wollen die Eigner der Bonds den nächsten Erfolg erzielen: Die Bundesrepublik soll gezwungen werden, den Wert der Papiere auszuzahlen. Schätzungen zufolge könnten die Anleihen heute mehrere hundert Millionen, vielleicht gar einige Milliarden Dollar wert sein.
Die Argumentation der Investoren: Sollte Deutschland gewinnen, könnte das gesamte globale Anleihensystem untergraben werden. Sämtliche Regierungen der Welt hätten künftig Probleme, sich bei Privatanlegern zu verschulden. Allerdings ist diese Sichtweise durchaus umstritten. Denn warum sollte die Glaubwürdigkeit der deutschen, chinesischen oder italienischen Regierung leiden, wenn ein 80 Jahre alter Fall juristisch entschieden wird? "Unsere Position ist rechtlich in Ordnung. Es geht darum, einen Präzedenzfall zuungunsten privater Anleger zu vermeiden", sagte Investorenanwalt Samuel Dubbin. Die Anleger selbst treten öffentlich nicht in Erscheinung.
Sollten die Investoren gewinnen und sollte die Bundesregierung trotzdem nicht zahlen, könnten deutsche Vermögenswerte in den USA beschlagnahmt werden. Dies streben zumindest die Kläger an.
"Die Kläger werden scheitern"
Ein Sprecher der deutschen Botschaft in Washington nannte die Klagen gegenstandslos. Die Eigner der Anleihen könnten nur dann an ihr Geld kommen, wenn sie einen aufwendigen Beglaubigungsprozess nach deutschem Recht durchliefen. "Die Kläger wollen sich dieser Prüfung entziehen, indem sie in den USA klagen. Damit werden sie scheitern", schrieb der Sprecher in einer E-Mail. Er betonte aber auch: "Jede Anleihe, die der Gültigkeitsprüfung standhält, wird ausgezahlt werden."
Obwohl Zweifel am Wert der Anleihen bestehen, hat sich für die Uraltpapiere ein stabiler Markt entwickelt. Anleger auf der ganzen Welt handeln mit den Anleihen in der Hoffnung, sie irgendwann zu Geld zu machen.
Allerdings gibt es bei vielen Anleihen ein Problem: Russische Soldaten hätten diese nach Kriegsende 1945 aus Nazi-Tresoren gestohlen, behauptet die Bundesregierung. Die betreffenden Anleihen seien zwar längst quittiert - also ausbezahlt - worden, sie würden aber immer noch unrechtmäßig weltweit gehandelt. Alle diese Anleihen seien deshalb wertlos, sagt die Regierung.
Gerichtsdokumenten zufolge hat Deutschland schon häufiger Zahlungen verweigert und sich dabei auf eine "Liste gestohlener Anleihen" berufen. Laut den Klägeranwälten hält die Bundesrepublik diese Liste jedoch unter Verschluss. Außerdem verlange das deutsche Beglaubigungsverfahren den schwer zu erbringenden Beweis, dass sich eine Anleihe am 1. Januar 1945 nicht auf deutschem Boden befunden habe.
Anleger finanzierten deutschen Krieg
Anwalt Dubbin sagt, die Sowjet-Regierung habe die meisten der gestohlenen Anleihen längst zurückgegeben. Das bewiesen Dokumente aus deutschen Archiven. Diese Ansicht teilen Historiker, die mit dem Fall vertraut sind und vor einem New Yorker Gericht ausgesagt haben. Was Dubbin damit sagen will: Die Papiere seiner Mandanten könnten kein Diebesgut sowjetischer Soldaten sein und hätten sich am 1. Januar 1945 eben nicht auf deutschem Boden befunden.
Die Vorgeschichte der umstrittenen Anleihen ist historisch durchaus brisant. Die Papiere waren von 1924 bis 1930 in den USA verkauft worden. Eine Serie ist bekannt als "Dawes Bonds". Der Weimarer Republik brachten die Papiere einen Geldsegen von 110 Millionen Dollar - der heutige Wert liegt vermutlich bei rund 1,2 Milliarden. Den Investoren wurde damals erzählt, die Anleihen seien sicher. Sogar der damalige US-Präsident Calvin Coolidge forderte seine Landsleute auf, deutsche Staatsanleihen zu kaufen.
Doch nach 1933 sahen die Dinge anders aus: Der neue Reichskanzler Adolf Hitler ordnete an, keine der Anleihen zurückzuzahlen - die US-Anleger waren damit praktisch enteignet. Der Wert der Papiere verfiel, die Nationalsozialisten kauften sie heimlich zurück und gaben neue Anleihen aus. Ironie der Geschichte: US-Anleger finanzierten so die deutsche Kriegsmaschinerie mit.