Nach Brexit Regierung will Großbritannien zum Steuerparadies machen

Britischer Finanzminister George Osborne
Foto: Christopher Furlong/ Getty Images
Britischer Finanzminister George Osborne
Foto: Christopher Furlong/ Getty ImagesDer britische Finanzminister George Osborne will die Steuern für Unternehmen deutlich senken, um Firmen nach dem Brexit-Votum in Großbritannien zu halten. Die Körperschaftsteuer solle von derzeit 20 Prozent auf unter 15 Prozent gesenkt werden, sagte Osborne der "Financial Times".
Dieser Satz wäre im Vergleich der großen Volkswirtschaften der Erde einer der niedrigsten. In der EU verlangen nur Irland und Zypern mit 12,5 Prozent weniger als 15 Prozent.
Im Vergleich der Industrienationen hat Großbritannien bereits derzeit vergleichsweise niedrige Unternehmenssteuern, wie die Grafik zeigt:
Im März hatte Osborne eine Absenkung auf 17 Prozent bis 2020 in Aussicht gestellt. Mit dem Schritt wolle er eine "super wettbewerbsfähige Volkswirtschaft" mit niedrigen Unternehmenssteuern und einer globalen Ausrichtung schaffen.
Osborne sagte der Zeitung, die britische Wirtschaft müsse sich mit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf das Ausscheiden aus der EU vorbereiten. "Wir müssen den Horizont und den Weg vor uns in den Blick nehmen und das Beste aus den Karten machen, die uns ausgeteilt wurden."
Der nächste Premierminister solle den maximalen Zugang zum europäischen Binnenmarkt anstreben, sagte Osborne. Das umfasse Güter, Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen. Gleichzeitig räumte er ein, dass dann wohl auch wieder EU-Bürger nach Großbritannien kommen könnten. Diese EU-Migration einzuschränken war jedoch ein primäres Versprechen der Brexit-Befürworter.
Mit den Plänen reagiert Osborne auf Befürchtungen, Unternehmen könnten nach dem Brexit-Votum wegen der Unsicherheit über die künftigen Beziehungen Großbritanniens mit der EU das Land verlassen. Mehrere große britische Unternehmen haben wegen der Brexit-Entscheidung bereits Gewinnwarnungen ausgegeben.
Betroffen ist unter anderem Londons Bankenbranche, die bisher stark davon profitiert, ihre Produkte ohne weitere Zulassung in der ganzen EU verkaufen zu können.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass in der EU nur Irland weniger als 15 Prozent Körperschaftsteuer verlangt. Jedoch liegt der Satz auch in Zypern bei 12,5 Prozent. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen, und haben ihn korrigiert.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Vodafone: Das Telekommunikationsunternehmen droht offen damit, die Londoner Firmenzentrale ins europäische Ausland zu verlegen. Der Konzern sei auf die Freizügigkeit seiner Mitarbeiter innerhalb Europas angewiesen. Ob diese bestehen bleibt, hängt von den Austrittsverhandlungen ab.
Goldman Sachs: Die Bank hält es für möglich, alle 6500 in London ansässigen Mitarbeiter oder einen Teil davon aus Großbritannien abzuziehen. Das Institut sei stark davon abhängig, dass seine in London zugelassenen Finanzprodukte auch im EU-Ausland anerkannt würden, sagte Richard Gnodde, Co-Chef der Investmentbanking-Abteilung der Bank.
Lloyds: Die englische Bank ist offenbar schon einen Schritt weiter. Das führende Hypothekeninstitut der Insel baut eigenen Angaben zufolge Hunderte Arbeitsplätze ab und schließt 23 Filialen. Das überraschende Nein der Briten zur EU in der vergangenen Woche zwingt Bankvorstände dazu, ihre Geschäftsmodelle neu zu überdenken. Weil Lloyds beim geplanten Abbau von insgesamt rund zehn Prozent der Beschäftigten zügig vorankomme, könnte das Institut nun noch tiefere Einschnitte in Erwägung ziehen, sagten zwei Insider laut Nachrichtenagentur Reuters.
Siemens: Der Münchner Technologiekonzern hat neue Windkraft-Investitionen in Großbritannien vorerst auf Eis gelegt. Man wolle abwarten, bis die Beziehung des Landes zur EU geklärt sei. Auch der ursprüngliche Plan, im Werk in Hull hergestellte Rotorblätter in andere Länder zu exportieren, sei durch den Brexit fraglich geworden.
Morgan Stanley: Als US-Bank ist das Institut ein heißer Kandidat für Jobverlagerungen von London in andere Länder. Meldungen, dass 2000 Jobs nach Frankfurt und Dublin verlegt werden sollen, dementierte das Geldhaus jedoch. Zumindest gebe es keine unmittelbaren derartigen Pläne. Man habe noch etwas Zeit, um den "bedeutenden Einschnitt" durch den Brexit zu bewerten.
Virgin: Das vom umtriebigen Milliardär Richard Branson geführte Unternehmen sagte die geplante Übernahme einer ungenannten Firma ab. Der Deal hätte laut Branson 3000 Arbeitsplätze in Großbritannien gesichert. Branson warnte zudem, seine chinesischen Geschäftspartner würden ihr Interesse an Großbritannien verlieren. Das würde Tausende Jobs kosten.
JP Morgan: Bankchef Jamie Dimon erwartet, dass 1000 bis 4000 Arbeitsplätze in dem Geldinstitut in andere Länder verlagert werden könnten. In einer E-Mail hat die Bank ihre Mitarbeiter bereits auf Änderungen in der europäischen Geschäftseinheit vorbereitet. Viel sei aber von dem Verlauf der Brexit-Verhandlungen abhängig.
Easyjet: Der Kurs des Billigfliegers ist an der Börse eingebrochen, weil das Unternehmen nach dem Brexit-Votum weniger Gewinn erwartet. Chefin Carolyn McCall lässt zudem bewusst offen, ob die Airline ihr Hauptquartier in Luton bei London lässt.
Ryanair: Der Easyjet-Rivale wird noch etwas deutlicher. Das Unternehmen werde keine weiteren Flugzeuge in Großbritannien stationieren und keine neuen Routen aus dem Königreich anbieten, teilte das Unternehmen nach dem Brexit-Votum mit. Die Billigfluglinie werde sich nun voll auf weiteres Wachstum in der Europäischen Union konzentrieren.
Visa: Die Kreditkartenfirma könnte bis zu tausend Jobs aus Großbritannien in die EU verlagern. Einer Auflage aus Brüssel zufolge müssen die Daten des Unternehmens in einem EU-Land liegen. Deshalb könnte Visas Datenzentrum nicht in Großbritannien bleiben, berichtete der Sender Sky News.
Ford: Der Autokonzern teilte mit, er werde "alle nötigen Maßnahmen ergreifen", um nach einem Brexit wettbewerbsfähig zu bleiben. Deshalb werde das Unternehmen seinen Investitionsplan für Großbritannien überprüfen.
Airbus: "Großbritannien wird leiden", kommentierte Airbus-Chef Tom Enders das Brexit-Votum. Sein Unternehmen werde nachrechnen, ob sich geplante Investitionen im Königreich noch lohnten.
Und wer profitiert vom Brexit-Exodus? Unter anderem Frankfurt, berichtet die Londoner "Times". Die Banken Goldman Sachs und Morgan Stanley hätten am Main bereits präventiv großflächig Büroimmobilien angemietet.
Visa: Die Kreditkartenfirma könnte bis zu tausend Jobs aus Großbritannien in die EU verlagern. Einer Auflage aus Brüssel zufolge müssen die Daten des Unternehmens in einem EU-Land liegen. Deshalb könnte Visas Datenzentrum nicht in Großbritannien bleiben, berichtete der Sender Sky News.
Foto: JASON REED/ REUTERSMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden