Nationale Tilgungsfonds Schäuble hat neue Idee zum Schuldenabbau

Die Euro-Zone ringt um das Vertrauen der Finanzmärkte, nun schlägt Wolfgang Schäuble ein neues Instrument vor. Die Staaten sollen einen Teil ihrer Schulden in eigene Fonds auslagern. Diese müssten binnen einer festen Frist abgebaut werden - so wie es nach der Wende mit den DDR-Lasten geschah.
Bundesfinanzminister Schäuble: Vorbild ist der Erblastentilgungsfonds

Bundesfinanzminister Schäuble: Vorbild ist der Erblastentilgungsfonds

Foto: dapd

Berlin - Wolfgang Schäuble hat einen neuen Vorschlag für den Abbau der Schuldenlast in der Euro-Zone vorgelegt: Die Mitgliedstaaten sollen ihre Verbindlichkeiten teilweise in nationale Fonds auslagern. Nach dem Willen des Bundesfinanzministers beträfe das den Teil ihrer Gesamtverschuldung, der über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. So soll das Vertrauen der Finanzmärkte zurückgewonnen werden.

Die Euro-Staaten haben nämlich ein grundsätzliches Problem: So sehr sie auch beteuern, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen und die gigantischen Schuldenberge abzubauen - die Finanzmärkte glauben ihnen nicht. Kein Wunder, schließlich haben die Regierungen in der Vergangenheit ihre Selbstverpflichtungen regelmäßig wieder kassiert. Kaum ein Land der Euro-Zone weist eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung oder weniger auf, obwohl sie sich in den Maastricht-Kriterien dazu verpflichtet hatten.

Die nationalen Sonderfonds, die Schäuble nun ins Spiel bringt, hätten einen entscheidenden Vorteil gegenüber den bisherigen Stabilitätspakten: Der Weg zu der 60-Prozent-Grenze würde transparent und verbindlich gestaltet werden. Der darüber liegende Schuldenteil müsse in jährlichen Schritten abgebaut werden, sagte Schäuble. Die nationalen Fonds müssten zudem mit eigenen Einnahmen unterlegt werden. Dann wäre alljährlich überprüfbar, dass die Euro-Länder tatsächlich ihre Gesamtschulden innerhalb von 20 Jahren auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken.

Ähnlichkeit zum "Schuldentilgungspakt" - aber ohne gemeinsame Haftung

Vorbild könnte laut Schäuble der deutsche Erblastentilgungsfonds sein, der Verbindlichkeiten aus der Wiedervereinigung enthielt. In ihm waren 1995 unter anderem die Schulden der Treuhandanstalt und alte Schulden der kommunalen Wohnungswirtschaft als Sondervermögen des Bundes gebündelt worden. Zur Tilgung wurden unter anderem Überschüsse der Bundesbank und die Einnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen verwendet.

Der Vorschlag ähnelt dem "Schuldentilgungspakt", den die Wirtschaftsweisen vor einigen Wochen vorgestellt hatten. Statt nationaler Fonds schlugen sie jedoch einen gemeinschaftlichen Schuldentilgungstopf des Währungsraums vor. Wegen der damit verbundenen gemeinsamen Haftung hatte die Bundesregierung dies aber abgelehnt.

Schäuble räumte ein, dass die Einrichtung eines Fonds auch für Deutschland erhebliche Anstrengungen bedeuten würde. In ihn müssten Schulden des Bundes und der Bundesländer eingebracht werden, weil beide zur Staatsverschuldung beitragen. Damit würden die von den Bundesländern geforderten sogenannten Deutschlandbonds Realität. In Deutschland liegt die Schuldenstandsquote zurzeit bei gut 80 Prozent des BIP. Sie soll bis 2015 auf etwa 70 Prozent zurückgeführt werden.

Der deutsche Erblastentilgungsfonds taugt nur halb zum Vorbild

Bereits am Dienstag hatte der deutsche Finanzminister die Idee nach Angaben von Teilnehmern seinen Ministerkollegen in der Euro-Zone vorgestellt. Möglicherweise wird Kanzlerin Angela Merkel darauf auch am Freitag in einer Regierungserklärung im Bundestag eingehen. Die EU-Länder wollen sich bei einem Gipfeltreffen am 8. und 9. Dezember über weitere Schritte zur Stabilisierung der Euro-Zone verständigen. Frankreich und Deutschland wollen dort gemeinsame Vorschläge für eine Änderung des EU-Vertrags machen.

Allzu laut sollte Schäuble allerdings nicht auf das Vorbild des deutschen Erblastentilgungsfonds verweisen, wenn er das Vertrauen der Finanzmärkte wiedererlangen möchte: Zwar ist dieser inzwischen vollständig getilgt - Anfang 2009 musste die Bundesregierung allerdings eingestehen, dass dies nur zur Hälfte mit den dafür vorgesehen Einnahmen geschah. Die andere Hälfte - etwa 85 Milliarden Euro - wurde über den Bundeshaushalt abbezahlt. Der Staat nahm dafür einfach neue Schulden auf.

fdi/Reuters/dpa
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