Neue Jobs für Ex-Banker Strippen, kochen, pilgern

Sie waren Stars, die mit Milliarden jonglierten. Nach dem Crash auf den Finanzmärkten fangen viele Banker jetzt von vorne an: Geldakrobaten wurden Würstchenverkäufer, Stripperin oder rechneten schriftlich mit der Branche ab. SPIEGEL ONLINE zeigt Karrieren nach der Karriere.

Frankfurt am Main - Sie hatten die Schnauze voll vom irrwitzigen Spiel an den Börsen und Finanzmärkten. Oder sie sind einfach entlassen worden. Als das große Spiel vorbei war und die Finanzmärkte plötzlich implodierten, standen Tausende Banker von einem Tag auf den anderen auf der Straße. Die einen, weil ihr Arbeitgeber pleite war. Andere hatten selbst waghalsig gezockt und ihr Unternehmen an den Rand des Abgrunds manövriert.

Legionen von Bankern mussten sich in den vergangenen Jahren einen neuen Job suchen. Einige wurden schnell fündig - vor allem jene, die einst ganz groß dabei waren. Andy Hornby, früher Chef der größten britischen Hypothekenbank HBOS  , führt heute die Drogeriekette Alliance Boots. Dabei konnte die HBOS nur mit Milliardenhilfen und durch eine Zwangsfusion mit der Lloyds TSB   gerettet werden. Stefan Jentzsch, einst Leiter der recht glücklosen Investmentbank Dresdner Kleinwort, ist mittlerweile Partner bei Perella Weinberg Partners in London. Das Unternehmen gelte als "Sammelbecken für das 'Who is Who' im Investmentbanking", schrieb das "Handelsblatt" beeindruckt.

Auch der Name Lehman Brothers im Lebenslauf schreckt potentielle Arbeitgeber nicht zwingend ab - obwohl die US-Investmentbank wegen ihrer waghalsigen Geschäfte zugrunde ging. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg stellte den Ex-Lehman-Investmentbanker John Rhea als Leiter der New York City Housing Authority ein, einer mächtigen Behörde, die Sozialwohnungen betreibt.

Andere Banker wollen oder müssen sich komplett umorientieren. In den USA betreibt ein Ex-Lehman-Mitarbeiter mittlerweile eine Tankstelle - früher hatte er eine Abteilung mit 400 Brokern unter sich. Andere Ex-Kollegen sind bei der Polizei untergekommen.

SPIEGEL ONLINE zeigt ungewöhnliche Karrieren nach der Karriere:

Desaster-Banker startet in die zweite Runde

Ex-Northern-Rock-Chef Applegarth: Er betreut jetzt einen Fonds, der Giftpapiere aufkauft

Ex-Northern-Rock-Chef Applegarth: Er betreut jetzt einen Fonds, der Giftpapiere aufkauft

Foto: Anonymous/ ASSOCIATED PRESS

Es war ein Albtraum. Zu Hunderten standen die Kunden Schlange vor den Bankfilialen von Northern Rock, bestürmten die hilflosen Mitarbeiter. Die Menschen wollten ihr Geld von den Konten abheben, weil sie dem wankenden Institut nicht mehr trauten.

Nur Garantien und ein Notkredit im Gesamtvolumen von 55 Milliarden Euro konnten den britischen Baufinanzierer 2007 retten. Und die Lage noch einmal beruhigen. Inzwischen ist Northern Rock verstaatlicht, noch immer werden Unsummen an Verlusten geschrieben.

Der damalige Chef von Northern Rock, Adam Applegarth, gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Beinahekollaps des Geldinstituts. Er hatte sein Kreditgeschäft zu waghalsigen Bedingungen refinanziert, das ganz große Rad gedreht, um die Rendite zu treiben. Als der Geldmarkt infolge der Krise des US-Hypothekenmarkts austrocknete, war das Schicksal von Northern Rock besiegelt.

Trotz dieser durchaus durchwachsenen Tätigkeitsbilanz dauerte es nicht lange, bis Cricket-Fan Applegarth einen neuen Job fand. Der US-Finanzinvestor Apollo Management hat den 47-Jährigen jetzt als Finanzberater eingestellt. Besonders zynisch: Der Brite betreut einen Fonds, der in Europa Schrottpapiere aufkauft in der Hoffnung, dass deren Wert eines Tages wieder steigt.

Abrechnung in Buchform

Ex-Investmentbankerin Stcherbatcheff: "Ich musste raus"

Ex-Investmentbankerin Stcherbatcheff: "Ich musste raus"

Foto: Drew Gardner

Einige Ex-Banker nutzten ihren Abschied aus der Finanzbranche zur Abrechnung in Buchform. Zum Beispiel Barbara Stcherbatcheff. Die junge Amerikanerin trieb die Hoffnung auf eine Blitzkarriere sofort nach ihrem Studium 2004 in die Londoner City. Sie startete als Praktikantin bei Merrill Lynch, es folgten Jobs bei Morgan Stanley und einem Hedgefonds. "Die Atmosphäre war immer aggressiv und egoistisch", sagt sie.

Gerade für Frauen ist das Londoner Parkett ein raues Pflaster. Fünf Jahre bestimmte der Beruf ihr Leben, machte sie fertig. Die Ehe mit einem anderen Banker ging nach kurzer Zeit in die Brüche. "Irgendwann hatte ich genug und musste raus", sagt Stcherbatcheff. Ihre Erlebnisse hat sie in dem Buch "Confessions of a City Girl" niedergeschrieben.

Wie Stcherbatcheff hat auch eine deutsche Ex-Derivatehändlerin ihre Zeit in der Haifisch-Branche in Form eines Buches verarbeitet - allerdings unter dem Pseudonym Anne T.

Die Sitten auf dem Frankfurter Parkett unterscheiden sich ihren Darstellungen zufolge kaum von denen in London. "Es vermittelt einem ein gewisses Gefühl von Macht, mit Millionen zu handeln", sagte die Autorin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Händler seien "sehr jung", "aggressiv", redeten "ständig über Sex und Geld". Vor allem die Derivatehändler konnten T. zufolge "machen, was sie wollten", sich "schnoddrig und asozial" verhalten.

Ex-Bankerin im Strip-Club

Die Geschichte von Randi Newton erregte Unruhe an der Wall Street. Newton, einst angestellt bei der Investmentbank Morgan Stanley, habe wie viele Kolleginnen das Metier gewechselt, berichtete die "New York Post". Sie sei jetzt Stripperin. Nach ihrer Entlassung habe sie mit Freunden im New Yorker Club "Rick's Cabaret" gesessen und ihren Kummer runtergespült - da habe sie direkt ein Jobangebot erhalten. Viele Ex-Kollegen waren geschockt.

So ganz stimmt die Geschichte freilich nicht. "Randi arbeitet für uns", schreibt Rick's Cabaret zwar auf Anfrage. Derzeit sei sie als "Massage Girl" in dem Club tätig. Aber Newton, die bei Morgan Stanley ein Jahr lang Assistentin für die Analysten war, wurde von der Investmentbank nicht gefeuert, sondern ging freiwillig. Und das schon vor Jahren. Doch ihre Geschichte passte gut in die Zeit - und so gab Newton nach dem Artikel in der "New York Post" ein Interview nach dem anderen. "Das war nichts, was ich mit Leidenschaft tat, also ging ich", sagte sie Reportern über ihre Zeit bei Morgan Stanley.

Der Teilzeit-Job als Oben-ohne-Entertainerin bei Rick's dagegen sei eine "wundervolle Erfahrung", sagt sie. Und allein ihr Trinkgeld summiere sich auf rund 160.000 Dollar im Jahr.

Beim ersten Mal, als sie sich auszog, sei es "beängstigend" gewesen, berichtete Newton in einem Fernsehauftritt. "Aber nach zwei oder drei Wodka wirst du sicherer." In der Rezession sei das Strippen für alleinstehende Frauen durchaus empfehlenswert. Newton empfiehlt: "Probier es aus."

Zweitkarriere in der Wurstbude

Ex-Banker Brauße: Findet seinen neuen Job "realer"

Ex-Banker Brauße: Findet seinen neuen Job "realer"

Foto: A3471 Boris Roessler/ dpa

Thomas Brauße hatte schon als Banker oft genug Heißhunger auf Currywurst und Pommes, wenn er in die Mittagspause ging.

Doch in der Nähe des Frankfurter Messeturms wurde er nicht so recht fündig. Als sein Arbeitgeber - der deutsche Ableger der US-Handelsplattform Instinet - im vergangenen Jahr urplötzlich dicht machte, nutzte Brauße die Marktlücke.

Im Sommer eröffnete er in Sichtweite seines ehemaligen Arbeitsplatzes seine "Worscht-Börse": einen Linienbus, der mit viel Chrom und Alu aufgehübscht wurde. In der schicken Atmosphäre lassen sich jetzt seine ehemaligen Kollegen aus dem Messeturm die Würstchen schmecken.

Brauße ist ziemlich zufrieden mit seinem neuen Job. Der sei viel "realer" als das Hantieren mit Millionen und Milliarden auf dem Bildschirm und am Telefon, sagt er.

Vom Banker zum Pilger

Ex-Lehman-Banker Wötzel: Er verarbeitete seine Erlebnisse bei einer Mega-Wanderung

Ex-Lehman-Banker Wötzel: Er verarbeitete seine Erlebnisse bei einer Mega-Wanderung

Foto: Integral-Verlag

Rudolf Wötzel musste nach seinem Abgang bei Lehman erst einmal wandern gehen. Wötzel erledigte für die US-Investmentbank das deutsche Geschäft mit Fusionen und Übernahmen. Schon im Februar 2007, also rund eineinhalb Jahre vor dem Untergang des Geldinstituts, kam die Sinnkrise.

Wötzel stieg aus, packte den Rucksack und lief von Salzburg über die Alpen nach Nizza. Ähnlich wie Hape Kerkeling hat auch Wötzel seine Wandergedanken in einem Buch festgehalten: "Über die Berge zu mir selbst. Ein Banker steigt aus und wagt ein neues Leben", heißt das Werk, das im Integral-Verlag erschien.

Er habe den Marsch als "Banker begonnen und als Bergpilger beendet", sagte Wötzel später etwas pathetisch im ARD-Talk bei Reinhold Beckmann. Inzwischen sei er mit sich ausgesöhnt. So richtig vom "Egotrip heruntergekommen" sei er beim Abstieg aus 4000 Metern "ins liebliche Tal".

Wötzel lebt mittlerweile in Klosters in der Schweiz. Dort hat er einen Ableger einer Wohltätigkeitsorganisation für geistig behinderte Kinder gegründet. Nebenbei betreibt der Banker jetzt ein Restaurant. Seinen Porsche hat er veräußert - und auch seine Anteile an einem Motorboot abgestoßen.

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