Neue Tarifkampf-Strategie Bundesarbeitsgericht erlaubt Flashmobs

Flashmob auf dem Hamburger Rathausmarkt: Vom Mitmach-Netz getriebene Graswurzelbewegungen
Foto: CHRISTIAN CHARISIUS/ REUTERSErfurt - Sie organisieren ein Großgelage auf Sylt, bringen die Kanzlerin mit geballtem Jubel aus dem Konzept: Sogenannte Flashmobs (flash = Blitz; mob = Pöbel), bei denen Bürger über das Internet Massenaktionen organisieren, werden ein immer wichtigerer Baustein moderner Protestkultur. Auch Gewerkschaften setzen zusehends auf die vom Mitmach-Netz getriebenen Graswurzelbewegungen. Die Opfer - Politiker und Unternehmen etwa - werden davon derzeit noch oft überrumpelt: Sie haben den kreativ bis abstrusen Massenprotesten kaum etwas entgegenzusetzen.
Kritiker merkten in der Folge oft an, die Protestierenden bewegten sich in einem weitgehend rechtsfreien Raum. Doch nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Flashmobs zumindest bei Tarifverhandlungen rechtens sind. Die obersten Arbeitsrichter wiesen damit wie bereits die Vorinstanzen eine Klage des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg gegen die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di ab.
Konkret bezieht sich das Urteil vom Mittwoch auf einen Arbeitskampf im Einzelhandel. 2007 hatte Ver.di im Internet zu Flashmob-Aktionen aufgerufen: "Gib uns deine Handy-Nummer, und dann lass uns zu dem per SMS gesendeten Zeitpunkt zusammen in einer bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt einkaufen gehen."
Flashmobs im Arbeitskampf vom Grundgesetz geschützt
Am 8. Dezember 2007 kamen knapp 50 Menschen in einem bestreikten Laden zusammen. Sie ließen befüllte Einkaufswagen im Laden stehen und bildeten lange Schlangen mit Pfennigartikeln an der Kasse. Eine Teilnehmerin hatte ihren Einkaufswagen mit Kleinstartikeln im Wert von 372 Euro gefüllt. Als die Kassiererin alles eingegeben hatte, stellte sie unter Beifall des Publikums fest, dass sie leider ihren Geldbeutel vergessen habe.
Wie das BAG entschied, sind solche Aktionen zulässig, solange sie nur vorübergehend sind, nicht in eine komplette Blockade ausarten und den Laden nicht unverhältnismäßig hart treffen. Die gezielte Störung betrieblicher Abläufe gehöre zum Arbeitskampf, erklärten die Erfurter Richter zur Begründung.
Zu der im Grundgesetz verankerten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften gehöre dabei auch die Wahl der Arbeitskampfmittel. Zulässig seien die Aktionen auch deshalb, weil die Arbeitgeberseite Möglichkeiten habe, sich zu wehren. So könnte der Arbeitgeber von seinem Hausrecht Gebrauch machen und die Teilnehmer aus dem Laden weisen oder den Laden vorübergehend schließen.
Az: 1 AZR 972/08