Neues Datenschutzgesetz Placebo im Job

Neues Datenschutzgesetz: Placebo im Job
Foto: Arno Burgi/ picture-alliance/ dpaHamburg - Von wegen abgehoben - Politik kann so bürgernah sein. An diesem Mittwoch hat das Bundeskabinett neue Regeln für den Ausspäh-Schutz von Arbeitnehmern verabschiedet. Im Datenschutzgesetz soll festgelegt werden, was Arbeitgeber dürfen und was nicht.
Das Signal: Liebe Arbeitnehmer, wir kümmern uns um Euch! Union und FDP reagieren mit dem Gesetzentwurf auf eine Reihe von Datenskandalen. Außer dem Discounter Lidl und dem Autohersteller Daimler gerieten pikanterweise auch die staatsnahen Konzerne Bahn und Telekom in die Schlagzeilen. Bei den Skandalen ging es um geheime Kameras an Kassen und in Umkleiden, ausgespähte Mails von Mitarbeitern, systematische Kontrolle privater Kontoinformationen, Bluttests bei Bewerbern und einiges mehr.
Tatsächlich werden im Gesetzentwurf nun wichtige Werkzeuge des Arbeitgeber-Grusels entschärft. Das heimliche Filmen in Toiletten, Umkleiden und Ruheräumen ist künftig verboten. In bestimmten Bereichen darf es zwar noch Kameras geben - aber die Mitarbeiter müssen es wissen.
Facebook-Profile sollen tabu sein
Nur noch unter strengen Auflagen ist der systematische Abgleich von Mitarbeiterdaten erlaubt, das sogenannte Screening - zum Beispiel bei einer möglichen Straftat. Deutlich schwieriger soll es für den Arbeitgeber außerdem werden, die Telefonate der Angestellten abzuhören.
Die Regierung geht allerdings über die jüngsten Skandale hinaus. In Zeiten des allgemeinen Daten-Striptease im Internet und der heftigen Diskussion über den Bilderdienst Google Street View schreiben Union und FDP den Arbeitgebern auch noch vor, was sie künftig im Netz über Bewerber und Angestellte herausfinden dürfen.
Die Beschränkung sieht zugespitzt so aus: Wer sich um einen Job bewirbt, muss dem Personaler erst mal erzählen, ob er ein Profil bei Facebook hat. Denn der mögliche Arbeitgeber darf qua Gesetz nicht auf Facebook nach dem Bewerber suchen - weil auf der Plattform vorwiegend Freunde miteinander kommunizieren.
Anders bei Xing. Dort darf sich der Arbeitgeber Profile von sich aus anschauen. Denn auf der Plattform geht es vor allem um die Präsentation des Bewerbers. Und das bewertet der Gesetzgeber anders.
Spätestens hier drängt sich eine Frage auf: Meint die Regierung das ernst? Ist das praxistauglich? Wer beschließt, wo eine Präsentation des Bewerbers im Vordergrund steht und wo eher private Kommunikation? Der Staat? Und was, wenn sich soziale Netzwerke in ihrer Natur verändern?
Statt Richtern regelt nun ein Gesetz den Datenschutz
Auf die Fragen nach der Relevanz und Praxistauglichkeit des gesamten Gesetzes gibt es zwei Antworten. Zuerst die positive: Bestenfalls stellt das schwarz-gelbe Vorhaben ein paar Dinge klar, die bislang nicht so eindeutig geregelt waren.
Negativ ausgedrückt: Eine naive Regierung betreibt juristische Augenwischerei.
Beispiel Videoüberwachung. Auch bisher ist es Arbeitgebern verboten, rein vorsorglich Beschäftigte zu überwachen. Man hat ja bislang auch wenig von Pissoir-Cams gehört. Firmen dürfen nur dann Videos aufnehmen, wenn sie einen konkreten Verdacht auf einen Straftatbestand haben. Ein Einzelhändler kann also eine Kasse filmen, wenn dort abends immer wieder Geld fehlt. Aber er kann nicht die Kassiererinnen überwachen, nur weil er glaubt, Frau Maier und Frau Müller würden bestimmt mal den einen oder anderen Euro mitnehmen.
Bislang haben Richter mit der Interpretation von Grundgesetz und Co. den Arbeitgebern solche Praktiken verboten. Nun macht es der Gesetzgeber. Es gibt also mehr Rechtssicherheit. Wo bislang im Gesetz zwei Sätze zum Arbeitnehmerdatenschutz standen, sind es nach den Plänen der Regierung künftig 15 Seiten.
Aber nichts Wesentliches, was bald mit vielen Worten verboten ist, war bisher mit wenigen erlaubt. Das Gesetz hat deshalb auch in anderen Punkten für den Arbeitgeber kaum Folgen. Entsprechend werden die Arbeitnehmer von der juristischen Präzisierung nicht viel spüren.
Eine der wichtigsten Büro-Grauzonen bleibt
Das zeigt sich beim Screening von Mitarbeiterdaten oder bei Mail- und Telefonspitzeleien. Auch bisher durften Konzerne nicht einfach so die Kontodaten ihrer Mitarbeiter durchforsten. Dass es einige Unternehmen trotzdem gemacht haben, wurde dadurch nicht verhindert - genauso wenig wie das Strafgesetzbuch für die vollständige Abschaffung der Kriminalität gesorgt hat.
Wer als Arbeitgeber die notwendige Energie aufbringt, wird auch künftig seine Gesetzeslücke finden. Im Zweifel mit professioneller Hilfe. Das neue Gesetz ist zunächst mal eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte.
Allerdings ist unverständlich, warum die Bundesregierung eine der wichtigsten Grauzonen im Büroalltag nicht beseitigt hat. Dabei geht es um die Frage, ob der Arbeitgeber die E-Mails der Mitarbeiter überwachen darf, wenn die Accounts sowohl dienstlich als auch privat genutzt werden - was nach Schätzungen von Experten in rund 90 Prozent der Unternehmen der Fall ist. Gut möglich, dass viele Firmen künftig auf Nummer sicher gehen und die private Nutzung der dienstlichen Mail-Adresse gleich ganz verbieten werden.
An anderen Stellen könnte es für die Arbeitgeber ein bisschen komplizierter werden als bislang - etwa bei Neueinstellungen. So sollen ärztliche Untersuchungen künftig nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein. Soweit zumindest die Theorie. Praktisch allerdings wird auch das nicht zu dramatischen Änderungen führen. Die Bitte um einen Bluttest wird nicht mehr schriftlich erfolgen, sondern eher dezent während des Assessment-Centers. Und wer dann nicht mitspielt, wird auch in Zukunft keinen Job bekommen.
Parallelen zum Antidiskriminierungsgesetz
Eher theoretischer Natur sind die weiteren Regeln für den Bewerbungsprozess. Zwar darf sich der Arbeitgeber bald nicht mehr Profile in sozialen Netzwerken wie Facebook anschauen, um nach vermeintlichen oder tatsächlichen Sünden des Angestellten in spe zu fahnden.
Nur glaubt wohl niemand ernsthaft, dass die Mehrheit der Firmen diese Regel befolgen wird. Wo kein Kontrolleur, da kein Richter. Personaler werden weiter möglichst viel über die Person recherchieren, die ihnen im Gespräch gegenübersitzt. Nur werden sie nicht mehr offen darüber sprechen und den Ausdruck des Facebook-Profils nicht mehr in der Personalakte abheften.
Kein Arbeitgeber braucht vor dem neuen Datenschutzgesetz Angst zu haben. Und kein Arbeitnehmer muss sich die Hoffnung machen, dass sich Gravierendes ändern wird. Same same, but different eben.
Diese Art von Placebo-Politik erinnert an das mit viel Tamtam verabschiedete Antidiskriminierungsgesetz. Darin wurde festgehalten, dass der Arbeitgeber schon dann alles Wesentliche gegen Ungleichbehandlung in seinem Betrieb unternommen hat, wenn er die Mitarbeiter entsprechend schult. Heerscharen von Juristen reisten daraufhin durch die Firmen der Republik, hielten einstündige Vorträge, und die Angestellten bestätigten ihre Teilnahme per Unterschrift.
Das war's.