EEG-Umlage Ökostrom-Rabatte für Braunkohle-Tagebau steigen stark

Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger, doch ausgerechnet der Tagebau profitiert nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen immer stärker von den Industrierabatten bei der Ökostrom-Umlage. Laut internen Dokumenten der Bundesregierung steigen sie 2013 auf 67,7 Millionen Euro.
Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler: Rentabler Klimaschädling

Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler: Rentabler Klimaschädling

Foto: Federico Gambarini/ dpa

Hamburg - Zu den seltsamsten Blüten, die die Energiewende in Deutschland treibt, zählt die Renaissance der besonders umweltschädlichen Braunkohle. Die Produktion von Braunkohlestrom steigt, eine Abschwächung oder gar Umkehr dieses Trends ist nicht abzusehen. Das prognostiziert die Bundesnetzagentur, Deutschlands oberste Energiebehörde, in einer kürzlich erschienenen Studie.

Vollends grotesk ist, dass ausgerechnet die Braunkohle immer stärker vom Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) profitiert: Laut einem als vertrauliche Verschlusssache deklarierten internen Dokument der Bundesregierung, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, legten die Rabatte bei der Ökostrom-Umlage für den energieintensiven Braunkohle-Tagebau von 43,5 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 67,6 Millionen Euro in diesem Jahr zu - ein Anstieg von 55,4 Prozent binnen eines Jahres. Die Vertraulichkeit begründet die Bundesregierung mit der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses der Tagebau-Betreiber.

Zwar ist der Großteil der drastischen Zunahme der Ökostrom-Rabatte darauf zurückzuführen, dass die EEG-Umlage an sich in diesem Jahr mit 46,9 Prozent besonders stark gestiegen ist. Wer zu großen Teilen davon befreit ist, erhält automatisch höhere Rabatte.

Dennoch ist das Signal deutlich: Die bestehenden Gesetze stehen mittlerweile im teils drastischen Gegensatz zu den Erfordernissen der Energiewende.

Auf Druck aus Brüssel könnten Rabatte kippen

"Das ist in etwa so, als würde man den besonders klimaschädlichen Autos die Mineralölsteuer erlassen", sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Der Energieexperte kritisiert, dass beim Braunkohle-Tagebau das den Ökostrom-Rabatten zugrunde liegende Argument nicht zieht - nämlich heimische Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu schützen: "Es werden immer nur die Kraftwerke beliefert, die neben dem Tagebau stehen."

Tatsächlich sind es vor allem die traditionellen Reviere in Nordrhein-Westfalen und in der Lausitz in Brandenburg, in denen im großen Stil Braunkohle gefördert wird. Betrieben wird der Tagebau von den großen Energiekonzernen Vattenfall  , RWE   und E.on  , aber gerade in Ostdeutschland auch von mittelständischen Unternehmen. Auch in Zukunft wollen sie die Abbaustätten erweitern, zahlreiche Dörfer müssten ihnen weichen - was bundesweite Proteste auslöst, etwa Welzow-Süd in der Lausitz oder im sächsischen Pödelwitz.

In der Kritik steht die Braunkohle bei Umweltschützern nicht nur wegen der Verwandlung ganzer Landstriche in Mondlandschaften. Die Kraftwerke sind zudem wahre Dreckschleudern. Außer mit klimaschädlichem Kohlendioxid verpesten sie die Umwelt unter anderem mit Schwefeldioxid, Stickoxiden, Feinstaub und giftigen Metallen - und das weitaus stärker als etwa Steinkohle-Kraftwerke.

Die Ökostrom-Rabatte für den Tagebau könnten allerdings schon bald der Vergangenheit angehören. Um ein EU-Verfahren wegen unerlaubter Beihilfen zu verhindern, haben Union und SPD dem zuständigen Kommissar Joaquín Almunia offenbar versprochen, die Vergünstigungen unter anderem für die Braunkohle-Tagebaue zu streichen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres sei die Produktion von Braunkohlestrom im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,7 Prozent gestiegen. Die Zahl beruhte auf veralteten Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Neuen Zahlen zufolge stieg die Stromproduktion im ersten Halbjahr 2013 nur um ein Prozent. Allerdings war die Stromproduktion im ersten Halbjahr 2012 deutlich höher als bisher angegeben.

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