Opec-Deal Der verzweifelte Pakt des Ölkartells

Es ist ein historisches Abkommen: Mehr als 20 Länder wollen ihre Ölförderung kürzen. Die Preise dürften dennoch nur moderat steigen. Denn die globale Allianz ist fragil und von begrenzter Wirkung.
Ölbohrinsel in der Nordsee

Ölbohrinsel in der Nordsee

Foto: © POOL New / Reuters/ REUTERS

Der Auftritt des saudi-arabischen Ölministers erinnerte an eine legendäre Aktion von Mario Draghi. Im Jahr 2012 hatte der Chef der Europäischen Zentralbank angekündigt, die Finanzkrise mit allen Mitteln zu bekämpfen; er hat mit diesem Pauschalversprechen womöglich den Tod des Euro verhindert.

Die Ankündigung von Scheich Khalid al-Falih am Samstag in Wien war ähnlich bedeutungsvoll. Insgesamt mehr als 20 Staaten hätten sich verpflichtet, ihre Ölförderung zu kürzen, verkündete er. Die Krise der globalen Ölindustrie, die die ganze Welt politisch destabilisierte, könnte endlich gelöst sein.

Al-Falih hat eine ungewöhnliche Allianz geschmiedet. Er hat Länder wie das winzige Brunei und das riesige Russland geeint. Er hat sich überraschend konziliant gegenüber seinem Erzrivalen Iran gezeigt, indem er den Mullahs zugestand, ihre Förderung vorerst nicht zu begrenzen. Sogar mit den Russen haben sich die Saudis arrangiert, obwohl sie ihnen in Syrien in einem Stellvertreterkrieg unerbittlich gegenüberstehen.

Der Deal von Wien ist, so gesehen, ein historischer Kompromiss. Er zeigt, dass die Opec längst nicht so schwach ist wie es oft behauptet wird. Das alte Ölkartell zeigt noch einmal seine Macht, und die Märkte sind beeindruckt: Am Montag schnellten die Ölpreise auf den höchsten Stand seit Sommer 2015 . Knapp 58 Dollar kostete zwischenzeitlich das Barrel.

Aus Sicht der Verbraucher indes ist der Pakt weniger historisch. "Wir müssen wohl nicht mit einem allzu großen Preisschub an der Tankstelle oder beim Heizöl rechnen", sagt Steffen Bukold, Chef von Energycomment und Autor des Buchs "Öl im 21. Jahrhundert". Denn die Allianz der Förderkürzer ist äußerst brüchig.

Fragwürdige Zusagen

Das Abkommen von Wien hat vor allem ein Problem: Es ist fraglich, ob sich wirklich alle Staaten daran halten. Ob sie wirklich ihre Förderung, wie auf dem Papier zugesichert, kürzen.

In der Geschichte der globalen Ölindustrie gab es schon viele Abkommen, die Fördermengen begrenzen sollten - und es gab fast ebenso viele Wortbrüche. Irgendeiner fing fast immer an, mehr Öl zu produzieren als zugesagt, um die eigenen Marktanteile auf Kosten anderer zu erhöhen. Bestraft wurde bislang keiner dafür.

Dieses Mal dürfte es nicht anders sein. Zwar soll ein Komitee aus fünf Opec- und Nicht-Opec-Ländern die Einhaltung der vereinbarten Förderkürzungen überwachen. Es sind aber keine Sanktionen bei Verstößen vorgesehen. "Bei Preisen deutlich über 60 Dollar pro Fass wird die Förderdisziplin nachlassen", prognostiziert Bukold.

Begrenzte Wirkung

Selbst wenn alle Staaten ihre Zusagen einhalten sollen, sind keine gewaltigen Preissprünge zu erwarten. Denn der Deal der Opec- und Nicht-Opec-Länder dient vornehmlich dazu, die Ölpreise dauerhaft auf einem Niveau von mehr als 50 Dollar pro Barrel (159 Liter) zu halten.

Für einen größeren Preisschub ist die geplante Förderkürzung, gemessen am globalen Bedarf, zu gering. Insgesamt will die globale Ölallianz ihre Produktion um rund 1,3 Millionen Barrel pro Tag drosseln; das entspricht etwa 1,3 Prozent der Weltölproduktion . Gleichzeitig steigt die globale Nachfrage nach Öl nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren.

In der Weltölallianz fehlt zudem ein wichtiger Player: die USA. Deren Ölfirmen könnten die niedrigere Förderung der übrigen Staaten mittelfristig kompensieren. Denn wenn sich das Angebot auf dem Weltmarkt verknappt und die Ölpreise steigen, dann lohnt sich die in Nordamerika verbreitete Förderung durch sogenanntes Fracking wieder stärker. Auch hier liegt die magische Grenze bei 60 Dollar pro Fass.

Wie schnell füllen US-Firmen die Lücke?

Es gilt unter Experten als so gut wie sicher, dass die US-Ölproduktion wieder steigt. Die Frage ist nur, wie schnell. Manche sagen, die Amerikaner würden binnen kürzester Zeit die Produktionslücke schließen, die die Weltölallianz reißt. Andere glauben, dass die US-Firmen ihre Förderung eher langsam steigern. Denn die Branche ist stark von Krediten abhängig - und könnte sich bei der Suche nach Finanziers schwerer tun als zu ihren Boomzeiten.

Erstens dürfte die US-Notenbank Fed bald die Zinsen erhöhen, zweitens stehen Investoren der Branche mittlerweile skeptischer gegenüber. Denn als der Ölpreis im Sommer 2014 begann, von mehr als 100 auf gut 35 Dollar abzurutschen, konnten viele Schieferölfirmen ihre Kredite nicht mehr bedienen. Investoren verloren viel Geld.

Investitionen in US-Schieferölfirmen werden daher inzwischen riskanter eingeschätzt. Und sie werden als weniger lukrativ eingeschätzt. Denn ein Wiederanstieg des Ölpreises auf 100 Dollar ist derzeit nicht absehbar.


Zusammengefasst: Mehr als 20 Länder haben sich darauf geeinigt, ihre Ölproduktion um insgesamt 1,3 Millionen Barrel pro Tag zu senken. Der Deal hat große Symbolkraft, zeigt er doch, dass die Opec noch immer handlungsfähig ist. Ein allzu großer Preisschub droht dennoch nicht. Denn b ei Preisen über 60 Dollar pro Barrel dürften viele US-Schieferölfirmen ihre Produktion wieder aufnehmen, und die Förderdisziplin im Opec-Kartell dürfte nachlassen.

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