Offshore-Plan der Regierung Murks auf Kosten der Verbraucher

Offshore-Windpark: Teures Prestigeprojekt
Foto: Joern Pollex/ Getty ImagesIm grauen Schlick von Friedrichskoog lebt die schnellste Schnecke der Welt. Mit bis zu sieben Kilometer pro Stunde bewegt sie sich fort - wenn auch mit einem Trick: Statt zu kriechen, lässt sie sich an der Wasseroberfläche mit dem Gezeitenstrom treiben.
Bundesumweltminister Peter Altmaier bekam das bemerkenswerte Tierchen vergangene Woche bei einer Wattwanderung gezeigt. Man kann das als Sinnbild für die Offshore-Windenergie sehen. Bei diesem Thema scheinen das Verhalten der Regierung und der gemeinen Wattschnecke seit langem artverwandt zu sein.
Der Ausbau der Hochsee-Windparks verlief jahrelang im Schleichtempo, weil eine Selbstverständlichkeit nicht gesichert war: Windparkbauer haben keine Garantie, dass ihr Park, wenn er fertig ist, auch am Stromnetz hängt.
Jetzt will die Regierung Tempo machen, jetzt will Altmaier die Versäumnisse seiner Vorgänger nachholen. Fehlt der Netzanschluss, sollen Windparkbetreiber künftig Entschädigungen für den Strom bekommen, den sie nicht verkaufen können. Ein Teil der Kosten wird auf die Verbraucher abgewälzt. So will es das Kabinett am Mittwoch beschließen.
Die Regierung feiert diese Entschädigungsklausel als Durchbruch. Tatsächlich ist sie ein Armutszeugnis. Ein Beleg dafür, wie unkoordiniert die Energiewende abläuft. Jahrelanges Missmanagement treibt die Kosten unnötig in die Höhe. Und am Ende zahlen nicht jene, die es verbockt haben, sondern die Verbraucher. Statt zu gestalten, lässt sich die Regierung einfach treiben.
Schon 2009 dringende Warnungen
Schon im Jahr 2009 monierten Branchenvertreter Verzögerungen beim Verlegen der Stromkabel im Meer und bei der Installation der Plattformen zur Umwandelung des Stroms. Verlangte ein Unternehmer vom Netzbetreiber eine Garantie für einen pünktlichen Anschluss, lautete die Antwort oft: "Nur wenn dein Park durchfinanziert ist." Fragte der Unternehmer seine Investoren nach Geld, lautete die Antwort: "Nur wenn der Anschluss garantiert ist."
Die Regierung versäumte es, dieses Henne-oder-Ei-Problem zu lösen und verlässliche Rahmenbedingungen für Firmen und Investoren zu schaffen. Auch die betroffenen Unternehmen taten wenig. Sie hätten Konsortien bilden können, um die Probleme gemeinsam anzugehen - und am Ende gemeinsam zu profitieren. Stattdessen schoben sie sich gegenseitig den schwarzen Peter zu und warteten, dass der Staat ihnen die Risiken abnahm. Was nun geschieht.
Besonders desaströs war das Verhalten der niederländische Firma Tennet, die seit 2010 für den Ausbau des Offshore-Stromnetzes in der deutschen Nordsee zuständig ist. Schon damals gab es die deutsche Offshore-Vision, und schon damals war klar, dass die recht kleine Firma es schwer haben dürfte, den Offshore-Ausbau in der geplanten Größenordnung allein voranzutreiben - es sei denn, Tennets Eigentümer, der niederländische Staat wäre auf die Idee gekommen, die deutsche Energiewende zu finanzieren. Auch hier brachte man keine Lösungen zustande. Jahrelang durfte Tennet im Schneckentempo vor sich hinwerkeln.
Dreifach unfair gegenüber dem Verbraucher
Der Bau der Netze und Windparks auf hoher See ist dadurch im Verzug. Die Entschädigungsklausel ist die letzte Chance, das Problem in den Griff zu kriegen, bevor es noch teurer wird. Sonst müsste die Offshore-Windindustrie bald Kurzarbeit anmelden.
Die Kosten der jetzigen Behelfslösung lassen sich noch nicht beziffern. Aber ganz gleich, wie viel es am Ende ist: Warum sollen ausgerechnet die Stromkunden für einen Teil der Mehrkosten aufkommen? Das ist aus gleich drei Gründen ungerecht:
- Firmen und Investoren machen mit dem Bau der Windparks, Plattformen und Kabel hohe Gewinne. Die Risiken für ihre profitablen Projekte dagegen sollen zum Teil die Verbraucher tragen.
- Die Kosten sind ungleich verteilt. Vor allem private Haushalte und kleinere Firmen müssen mögliche Entschädigungen zahlen. Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch sollen davon weitgehend befreit werden.
- Selbst wenn die Bundesregierung es für unerlässlich hält, die Netzbetreiber für ihre eigenen Versäumnisse auch noch zu belohnen: Der saubere Weg wäre es, diese Risiken aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Denn zu dem tragen gutverdienende Steuerzahler besonders viel bei. Die Entschädigungsklausel dagegen erhöht die Strompreise - was überproportional ärmere Verbraucher trifft.
Am Nachmittag trifft sich die Regierung mit Vertretern der Industrie und der Gewerkschaften im Kanzleramt. Lobbyisten aller Couleur nutzen den Termin, um noch einmal eindringlich vor den ausufernden Kosten der Ökorevolution zu warnen. Die Förderung sei viel zu hoch, werden sie nicht müde zu betonen.
Mit Blick auf das Gemurkse bei der Offshore-Energie sollte man ergänzen: Die Energiewende könnte günstiger sein, wenn Wirtschaft und Politik dringende Probleme nicht länger mit dem Tempo einer Wattschnecke angehen - und im Zweifelsfall den bequemsten Weg der Fortbewegung wählen.