Olaf Scholz Warum der Vizekanzler die schwarze Null so liebt

Auf der Tagung des Internationalen Währungsfonds wird es viel Kritik an Olaf Scholz und seiner Politik der schwarzen Null geben. Doch der Finanzminister folgt einem ganz bestimmten Kalkül.
Olaf Scholz: Derzeit nicht als Chefvolkswirt unterwegs - sondern als Kandidat für den SPD-Vorsitz

Olaf Scholz: Derzeit nicht als Chefvolkswirt unterwegs - sondern als Kandidat für den SPD-Vorsitz

Foto: AXEL SCHMIDT/ AFP

Wenn Olaf Scholz heute zur Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Washington fliegt, wird er wenig Neues hören. Es haben sich ja schon alle zu Wort gemeldet: der französische Finanzminister und die bulgarische IWF-Chefin, die Spitzen der Europäischen Zentralbank und so gut wie jeder angelsächsische Ökonom, der mutig genug ist, das Wort "schwarze Null" auszusprechen. Sie alle wollen, dass Deutschland endlich mit dem Sparen aufhört, mehr Geld ausgibt und etwas gegen die Konjunkturflaute unternimmt, die von den IWF-Ökonomen inzwischen zum "Synchronen Abschwung" hochgestuft wurde.

Und wie es inzwischen zur Routine geworden ist, wird sich der deutsche Finanzminister die Litanei geduldig anhören und bei seinen Gesprächen mit Amtskollegen aus aller Welt freundlich lächelnd die Gegenrede halten: Deutschland investiere bereits auf Rekordniveau, wird er sagen, die Baubranche sei ausgelastet und in vielen Unternehmen werde noch immer häufiger über den Fachkräftemangel als über einen Auftragsrückgang geklagt. Mehr Geld könne der Staat einfach nicht ausgeben. Same procedure as last year? Same procedure as every year.

Dabei weiß Scholz natürlich, dass die Regierung sehr wohl die Konjunktur ankurbeln könnte, wenn sie wollte - durch eine Steuersenkung zum Beispiel. Und er kennt auch die Mahnungen der Ökonomen, dass der beste Nachfrageimpuls verpufft, wenn er zu spät kommt. Doch der Finanzminister ist in diesen Tagen nun mal nicht als Chefvolkswirt unterwegs, sondern als Kandidat für den SPD-Vorsitz. Obendrein will er die Partei in der Großen Koalition halten und beweisen, dass sie noch immer regierungs- und kanzlerfähig ist. Und so kommt es, dass Scholz in diesen Tagen einem ganz anderen Kalkül folgt, als es seinen Kritikern in Paris, Brüssel oder Washington recht ist.

Die Regeln des Schuldenmachens

Dass der Staat in Zeiten niedrigster Zinsen auf Pump wirtschaften sollte, gilt zwar an den Börsen und möglicherweise auch noch in der SPD-Funktionärsschicht als kluge Politik, nicht jedoch an der Parteibasis. Die tickt eher wie die Mehrheit der Bevölkerung, die ausweislich der Umfragen viel von ausgeglichenen Haushalten und wenig von staatlicher Schuldenwirtschaft hält, ganz nach dem Motto: lieber nichts ausgeben, als falsch.

Außerdem will Scholz weiter regieren, dabei aber gilt: Wer eine politische Beziehung aufrechterhalten möchte, ist gut beraten, dem Partner nicht das wichtigste Anliegen zu entziehen. Für die CDU ist die schwarze Null aber beinahe der letzte konservative Markenartikel, den sie noch ausstellen kann. Auf dem nächsten Parteitag soll das Prinzip deshalb noch einmal bekräftigt werden. Würde die SPD bei diesem Thema zündeln, bräuchte sie die geplante Bilanz der Großen Koalition gar nicht mehr aufzustellen, sie könnte gleich in die Opposition gehen.

Zudem würde ein Ende der schwarzen Null den Sozialdemokraten auch taktische Nachteile bringen. Würde die Koalition ihr Haushaltsziel aufgeben, könnten sich die Genossen kaum noch gegen die CDU-Forderung nach Steuererleichterungen sperren. Scholz aber ist stolz darauf, den Soli nur für die unteren 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft zu haben, die Topverdiener müssen weiter zahlen. Das weise ihn als echten Sozialdemokraten aus, brüstet sich der Finanzminister, der mit der Steuersenkung gegen die Reichen einen Schlager für den Wahlkampf um den SPD-Vorsitz zu haben glaubt.

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Hinzu kommt, dass viele Deutsche es durchaus zu schätzen wissen, wenn sich der Finanzminister dem Druck der internationalen Finanzelite widersetzt und für solide Haushalte kämpft. Schafft es nicht schon genug Unsicherheit, wenn die Europäische Zentralbank mit ihren Minuszinsen die Sparguthaben entwertet? Muss nun auch noch der Staat die Milliarden raushauen, ohne an morgen zu denken?

Dass Scholz offenbar bereit ist, solchen Ängsten und Bedenken nachzugeben, halten manche seiner Amtskollegen bereits für Populismus. Wenn Deutschland sich nicht entschlossen einem Abschwung entgegenstellt, so fürchten sie, könnte Deutschlands Industrieflaute die gesamte Eurozone in den Abgrund ziehen. Doch Scholz sieht sich auf der sicheren Seite. Behalten die IWF-Ökonomen recht und die Weltkonjunktur zieht im nächsten Jahr wieder an, liegt er mit seiner Zurückhaltung richtig. Und sollte die Wirtschaft wider Erwarten einbrechen, ist immer noch Zeit genug zu handeln.

Vorausgesetzt natürlich, der zweite Teil der Scholz-Wette geht ebenfalls auf - und trägt ihn an die Spitze der SPD.

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