Pannenflughafen BER Wowereit als Aufsichtsratschef wiedergewählt

Regierender Bürgermeister Wowereit: Zweite-Wahl-Kandidat ohne Alternative
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaBerlin - Als die Aufseher der Berliner Flughafengesellschaft am Freitagmittag zu ihrem Treffen im Hotel Residenz am Motzener See eintrafen, war die wichtigste Entscheidung bereits gefallen: Klaus Wowereit wird erneut Chef des Aufsichtsrats. Am Nachmittag dann meldete die Nachrichtenagentur dpa den Vollzug. Mit großer Mehrheit wählte das Kontrollgremium den SPD-Politiker wieder ins Amt.
Wowereit war bereits von 2008 bis Anfang 2013 Aufsichtsratschef. Doch nach der erneuten Absage der Flughafeneröffnung im Januar nahm selbst er das öffentliche Echo wahr und gab den Posten an den damaligen Ministerpräsidenten Brandenburgs, Matthias Platzeck (SPD), ab. Der wiederum trat im August aus Gesundheitsgründen zurück, worauf Wowereit kommissarisch wieder an die Spitze des Aufsichtsrats rückte.
Am Abend zuvor hatten sich die Vertreter der Anteilseigner noch einmal im Kanzleramt getroffen, um das Für und Wider der Personalie auszuloten - Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für den Bund, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit. Aus dem engeren Umfeld hieß es anschließend, Wowereit habe als Alternative seinen vollständigen Rückzug ins Spiel gebracht; eine ziemlich unverhohlene Drohung für den Fall, dass der Aufsichtsrat ihm die Rückkehr auf den Chefposten verweigert.
Ohne den Berliner Bürgermeister, das sei einhellige Meinung gewesen, würde das Projekt Hauptstadtflughafen noch schwieriger als ohnehin schon zu bewältigen. Denn als alternative Kandidaten hätten dann nur noch die Staatssekretäre Werner Gatzer (Finanzministerium), Rainer Bomba (Verkehrsressort) und Rainer Bretschneider (Land Brandenburg) zur Verfügung gestanden. Die Spitzenbeamten gelten zwar als bestens mit der Materie vertraut, doch gegen einen wie Mehdorn seien andere Qualitäten gefragt. "Dafür braucht es einen ausgeprägten Machtmenschen", erklärt ein Insider. Eine Charaktereigenschaft, an der es Wowereit zweifelsohne noch nie gefehlt hat.
Zwei Gegenstimmen sicher
Der Grund wog auch für Schäuble und Ramsauer schwer genug, um von ihrer ursprünglichen Ablehnung abzurücken. Sie sagten Wowereit schließlich ihre Unterstützung zu. Auch auf den Rückhalt der Arbeitnehmervertreter kann sich Wowereit verlassen.
Auf die Stimmen von Finanzminister Helmuth Markov und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, die die Brandenburger Linke in den Aufsichtsrat entsandt hat, muss Wowereit allerdings verzichten. Es sei kein Geheimnis, dass die Linke den Regierenden Bürgermeister nicht für einen geeigneten Kandidaten halte, sagte Christian Görke, Vorsitzender der Linken-Fraktion im Brandenburger Landtag. Die Linken nehmen es Wowereit übel, dass er die Brandenburger ignoriert, die ein verlängertes Nachtflugverbot für den Hauptstadtflughafen fordern.
Doch abseits politisch motivierter Interessenlagen gäbe es durchaus handfeste Gründe, die gegen eine Rückkehr Wowereits auf den Chefposten des Aufsichtsrats gesprochen hätten. Denn so wie es scheint, hat der den machtbewussten Flughafenchef Hartmut Mehdorn bislang nicht einmal annähernd so gut im Griff, wie es sich die Anteilseigner erhoffen. Spektakulärstes Beispiel dafür ist der gescheiterte Versuch, Technikchef Horst Amann vor Mehdorn zu schützen. Selbst ein öffentliches Machtwort hinderte Mehdorn nicht daran, den ungeliebten Kollegen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu desavouieren. Stattdessen ließ Wowereit es zu, dass der Bauingenieur in eine Nebengesellschaft abgeschoben wurde - ohne wirklichen Zuständigkeitsbereich und ohne Mitarbeiter.
Mehdorn - Manager der großen Ankündigung
Auch sonst scheint es mit der Aufsicht nicht so weit her zu sein. Bis jetzt gelang es Wowereit jedenfalls nicht, dafür zu sorgen, dass Mehdorn auch liefert, was er stets großspurig ankündigt. Einen Fortschritt bei den Bauarbeiten vermögen nur detailverliebte Sachverständige zu erkennen. Längst hätten zum Beispiel Furchen und Durchbrüche für die Überarbeitung der Kabeltrassen erstellt sein sollen. Erst dann kann Siemens mit seinen Arbeiten beginnen, die rund eineinhalb Jahre dauern sollen.
Auch die Teileröffnung bleibt ein ewiges Hin und Her. Seit der letzten Sitzung des Aufsichtsrats ist dazu so wenig passiert, dass das Thema auf der heutigen Klausur praktisch ausgespart werden kann.
Ein anderer Punkt wäre dagegen essentiell: Finanzen. Schließlich gilt es, den Etat für 2014 zu diskutieren und abzusegnen. Doch das Zahlenwerk, das Mehdorn hierzu vorlegt, sei "sehr lückenhaft", wie es aus Kreisen des Aufsichtsrats heißt. "Mehr als eine Schätzung über den Daumen, lässt sich daraus nicht ableiten, wenn man seriös vorgehen will." Zeitungsberichten zufolge sollen sich die Gesamtkosten inzwischen auf rund 4,8 Milliarden Euro summieren. Aber bestätigen will das niemand. Dazu sei die Zahlenbasis zu dünn.
Der Eindruck drängt sich auf: Mehdorn kocht sein Süppchen - ohne Direktive, ohne Aufsicht. Stattdessen üben sich die Beteiligten bereits wieder in Schönfärberei. Allen voran Wowereit, der gemeinsam mit den Aufsichtsratsmitgliedern vor der Sitzung die Flughafenbaustelle in Schönefeld besuchte. "Fortschritte sind deutlich zu erkennen", sagte der Kandidat anschließend mit Hinweis auf die offenen Decken, von denen massenweise Kabel herabhängen. "Aber es ist noch viel zu tun", fügte er hinzu.