Pensionsversprechen an Polit-Provokateur Gabriel rüffelt Bundesbank für Sarrazin-Deal

Thilo Sarrazin dankt ab - und bekommt dafür nach SPIEGEL-Informationen eine fette Pension. Sigmar Gabriel kritisiert die Zusage scharf: Die Bundesbank habe einen Deal gemacht, um ihren umstrittenen Vorstand loszuwerden. Sarrazin verteidige Theorien, die Deutschland "nach Auschwitz" geführt hätten.
SPD-Chef Gabriel: "Methoden aus der Privatwirtschaft"

SPD-Chef Gabriel: "Methoden aus der Privatwirtschaft"

Foto: Mario Vedder/ APN

Thilo Sarrazin

Bundesbank

Berlin - Der Deal zwischen und der provoziert Wut in der SPD-Spitze. Nach Informationen des SPIEGEL setzte sich das Bundespräsidialamt dafür ein, die Pension des umstrittenen Bundesbank-Vorstands um 1000 Euro aufzustocken. Sarrazin habe daraufhin freiwillig seinen Rücktritt erklärt. Hätte er dies nicht getan, hätte Bundespräsident Christian Wulff die undankbare Aufgabe gehabt, Sarrazin zu entlassen.

Sigmar Gabriel

kritisiert die Einigung scharf. Die Bundesbank habe nichts anderes als einen "Deal" gemacht, sagte der SPD-Chef der "Bild am Sonntag". Dieser habe dazu gedient, Sarrazin "loszuwerden" und Wulff zu retten. Der Bundespräsident war zuvor in die Kritik geraten, weil er frühzeitig angedeutet hatte, Sarrazin im Zweifelsfall entlassen zu wollen. Die Aussage war als Beschädigung der politischen Unabhängigkeit der Bundesbank gewertet worden. Durch Sarrazins freiwilligen Rücktritt Ende September war Wulff zuletzt aus der Schusslinie.

Gabriel hält das für unzulässig. "Jetzt zahlt die Bundesbank Herrn Sarrazin vermutlich viel Geld dafür, dass er geht", sagte er. "Wir kennen diese Methoden aus der Privatwirtschaft. Das macht sie aber nicht besser." Ohnehin habe sich Wulff "völlig zu Unrecht in die Entlassung Sarrazins" eingeschaltet.

Sarrazin ist auch SPD-Mitglied. Gabriel bekräftigte in der "Bild am Sonntag" die Absicht der Sozialdemokraten, den Polit-Provokateur aus der Partei auszuschließen. Ex-Fraktionschef Peter Struck dagegen sprach sich gegen einen Parteiausschluss Sarrazins aus. Allerdings erwarte er von Sarrazin, dass er auf Gabriel zugehe und ihm "erklärt, was er eigentlich gemeint hat", sagte Struck im Deutschlandfunk. "Thilo Sarrazin hat nicht die Meinung der SPD vertreten."

"Niemand soll glauben, es ginge nur um Aische und Ali"

Gabriel dagegen beharrt auf dem Parteiausschluss - und begründet seine Meinung in der "Bild am Sonntag" mit Argumenten, die er auch schon am Donnerstag in der TV-Talkshow Maybrit Illner vorgetragen hatte. Freiheit, Demokratie und Aufklärung müsse man verteidigen, sagte Gabriel. Sarrazin aber verteidige Theorien einer staatlich gelenkten Vererbungspolitik, deren "Perversion" in Deutschland "nach Auschwitz" geführt habe.

Laut dieser Theorie solle der Staat unterscheiden, wessen Leben gefördert wird und wessen nicht. Die katastrophalen Folgen dieser Politik erwähne Sarrazin in seinem Buch mit keinem Wort. "Wir können es nicht zulassen, dass die staatlichen Eingriffe und Steuerungen in die Vererbung bestimmten Schichten wieder hof- und salonfähig gemacht werden, weil sich schlimmere Leute als Sarrazin daran bedienen werden."

Im "Wahn, wir stünden kurz vor der völligen Überfremdung", liefere Sarrazin einen Ausweg:, sagte Gabriel. "Schützt die vermeintlich besseren Gene der Deutschen gegen die Gene der Ausländer." Nach Überzeugung des SPD-Chefs zielen Sarrazins Gen-Thesen nicht nur auf Ausländer: "Niemand soll glauben, es ginge dabei nur um Aische und Ali", sagte Gabriel. "Wenn sie zur falschen Schicht gehören, dann geht es auch um Cornelia und Kevin. Sarrazin versteigt sich ja sogar dazu, die Menschen in der Uckermark schlechter zu bewerten als die in Schwaben."

Gabriel räumte ein, auch er sehe Mängel in der Integrationspolitik. Es sei unbestreitbar, "dass wir eine verfestigte soziale Unterschicht haben, in denen Ausländer eine große Gruppe sind", sagte er. In nicht wenigen Migrantenfamilien gebe es zu wenig Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft, dafür aber eine höhere Kriminalität unter jugendlichen Ausländergruppen.

"Ein Skandal, dass wir Hassprediger nicht aus dem Land schmeißen"

"Und es ist auch ein Skandal, dass wir Hassprediger nicht aus dem Land schmeißen, wenn sie in den Moscheen ihre Tiraden halten", sagte Gabriel. Das finde auch er untragbar. Da stimme er mit Thilo Sarrazin überein.

Gabriel warnte vor einem Zurückweichen des Staates vor Gewalt in Vierteln mit hohem Ausländeranteil. "Wenn es Brennpunkte für Gewalt gibt, dann gehören dort nicht nur Sozialarbeiter hin, sondern auch Polizisten."

Eine Lösung für die Probleme in der Integrationspolitik sieht der SPD-Chef in einer besseren Bildung. "Unsere Kindertagesstätten müssen zu Familienbildungsstätten in den sozialen Brennpunkten werden, wir haben zu wenig Ganztagsschulen, zu wenig Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen, Psychologen und Sportpädagogen an unseren Schulen."

Zudem sollte der Staat Integrationsprobleme künftig statistisch erfassen. Damit würde sich die Politik selbst unter Handlungsdruck setzen, eine Besserung zu erreichen.

Sarrazin selbst schimpft nach seiner Rücktrittserklärung weiter auf "die politische Klasse", vom Bundespräsidenten bis zur eigenen Partei. Bei einer Veranstaltung nahm er Stellung zu seiner Bundesbank-Entscheidung und bekräftigte: Die Sozialdemokraten werden ihn so schnell nicht los. "Ich bleibe in der SPD", bekräftige er am Freitag.

ssu/AFP/apn/Reuters
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