Neues Wettbewerbsrecht Altmaier will Macht von Tech-Konzernen eindämmen

Wirtschaftsminister Altmaier verschärft nach SPIEGEL-Informationen die Wettbewerbsregeln: Das Kartellamt soll Google und Co. den Kauf kleinerer Unternehmen verbieten können, wenn diese zu viel Macht über Nutzerdaten bekommen.
Foto: imago images / Kyodo News

Schnell mal den Weg zum Restaurant gegoogelt, die Lautsprecher bei Amazon bestellt, oder auf Facebook über den Kauf eines neuen Sofas gechattet - bei allen diesen alltäglichen Dingen hinterlässt der moderne Mensch unzählige Daten auf den großen digitalen Plattformen, ohne dass er davon groß etwas mitbekommt. Doch für die überwiegend amerikanischen Konzerne bedeutet der Besitz dieser Informationen Geld und Macht, die sie ausnutzen können - für die Zerstörung alter Handelsketten und die Abwehr neuer, potenzieller Konkurrenten.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versucht nun, diesem bislang fast ungezügelten Streben Einhalt zu gebieten. Er legt in dieser Woche die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor. Darin enthalten sind eine ganze Reihe von neuen Vorschriften, die den Umgang mit Kunden- und Nutzerdaten regeln, aber auch den Aufkauf von Unternehmen in der Internetbranche erschweren sollen. Im Gegenzug erleichtert der Wirtschaftsminister die Übernahme von kleinen und mittelständischen Firmen, indem er die Schwelle für die Prüfung durch das Bundeskartellamt heraufsetzt.

Mit der Gesetzesnovelle dürfte Altmaier auch sein wirtschaftspolitisches Profil in der Bundesregierung schärfen wollen. "Die Soziale Marktwirtschaft schützt den Wettbewerb und so auch die Verbraucher", sagte er dem SPIEGEL. "Damit dies auch in der digitalen Welt stets reibungslos funktioniert, wollen wir unser Wettbewerbsrecht modernisieren." Man habe erlebt, wie rasant sich Märkte in der Plattformökonomie verändern und wie Marktkonzentration zunehme, so Altmaier: "Jetzt verschärfen wir die Spielregeln für marktbeherrschende Plattformen und verbessern den Markt- und Datenzugang von Wettbewerbern."

Nutzer sollen eigene Daten mitnehmen können

Im Kern der Novelle, die nun in die Ressortabstimmung innerhalb der Regierung gehen soll, steht der Umgang mit Daten, dem wichtigsten Gut der digitalen Ökonomie. Weil Plattformen wie Google oder Amazon bislang weitgehend unreguliert agieren konnten, haben sie es geschafft, über das Verhalten ihrer Nutzer große Mengen an Daten zu generieren. Diesen Schatz können sie kommerzialisieren: in maßgeschneiderten Angeboten für die User, aber auch für Werbung, die etwa Facebook, YouTube oder Google auf ihren Webseiten präsentieren.

Peter Altmaier: "Die Soziale Marktwirtschaft schützt den Wettbewerb und so auch die Verbraucher"

Peter Altmaier: "Die Soziale Marktwirtschaft schützt den Wettbewerb und so auch die Verbraucher"

Foto: Stephane De Sakutin / AFP

Die Nutzer sollen deshalb künftig die Möglichkeit haben, Zugang zu ihren eigenen Daten zu erhalten und diese auch mitzunehmen, falls sie auf andere Plattformen, etwa von Neuanbietern, wechseln wollen. Das Bundeskartellamt kann zudem eine "marktübergreifende" Stellung eines Unternehmens feststellen, indem es den "Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten" durch den Konzern bemisst. Die Behörde kann diesem Unternehmen dann "untersagen, durch die Nutzung der auf einem beherrschten Markt von der Marktgegenseite gesammelten wettbewerbsrelevanten Daten, auf einem anderen Markt Marktzutrittsschranken zu errichten oder zu erhöhen oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern". So steht es in der Novelle, die dem SPIEGEL vorliegt.

Die Wettbewerbshüter waren hier bislang machtlos. Der Besitz von Daten war kein Kriterium, mit der sie die Marktmacht eines Unternehmens bestimmen konnten. Stattdessen mussten sie sich allein an Umsatz und Marktanteil in einem bestimmten Markt orientieren.

Whistleblower sollen bessergestellt werden

Ob die Macht der großen Internetkonzerne durch die neuen Instrumente tatsächlich eingedämmt werden kann, hängt auch davon ab, wie groß die Unterstützung der Politik ist, kleine, deutsche Start-ups vor den Begehrlichkeiten der großen Plattformen zu schützen. Auf europäischer Ebene wird derzeit über die Einführung einer Digitalsteuer für die großen IT-Unternehmen diskutiert, die ihre Gewinne günstig in Steueroasen verbuchen und somit Milliardenzahlungen umgehen. Frankreich ist dafür, die deutsche Bundesregierung zögerlich.

Die EU-Kommission hatte in den vergangenen Jahren Google und andere Plattformen zu hohen Geldstrafen verurteilt, wenn sie Beweise hatte, dass die Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Wirtschaftsminister Altmaier will dies zumindest auf dem national möglichen Weg sicherstellen und erhofft sich durch den Schutz des Wettbewerbsrechts auch mehr Innovationen von deutschen Start-ups und kleineren IT-Unternehmen.

In der Novelle findet sich auch ein Passus, der die rechtliche Stellung von Kronzeugen stärken soll. Altmaiers Beamte scheinen zu wissen, dass sie Informanten oder informationswilligen Konkurrenzfirmen brauchen können. Solche Tippgeber können den Kartellwächtern helfen, die schwierigen Beweise für den Missbrauch von Marktmacht zu liefern.


Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Gesetzesnovelle solle in dieser Woche im Kabinett vorgestellt werden. Tatsächlich geht die Novelle zunächst in die Ressortabstimmung zwischen den Ministerien. Wir haben die Stelle korrigiert.

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