Pferdefleisch-Skandal Aigner will Betrüger mit Frühwarnsystem aufspüren
Lassen sich Lebensmittelbetrüger mit härteren Strafen abschrecken? Nein, sagt Deutschlands Verbraucherministerin Ilse Aigner. Sie setzt auf ein Frühwarnsystem, um künftig Fleischskandale zu verhindern: Über Lieferketten und Schlachtlisten könne überprüft werden, wo gepfuscht wird.
Berlin - Der Pferdefleisch-Skandal wird an diesem Montag auf großer politischer Bühne behandelt. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner will bei einem Treffen mit den zuständigen Ministern der Länder den Entwurf für einen nationalen Aktionsplan vorlegen. Vor der Zusammenkunft in Berlin warnte sie die Industrie vor einer Verharmlosung der jüngsten Vorfälle. "Ich kann der Wirtschaft nur raten, diesen Skandal nicht herunterzuspielen und alle Schritte zu unterstützen, die einer schnellen Aufklärung dienen und rasch Transparenz schaffen", sagte die CSU-Ministerin der "Berliner Zeitung". Dieser Fall zeige exemplarisch, dass kriminelle Betrüger eine ganze Branche in Verruf bringen könnten.
Der Pferdefleisch-Skandal hatte vor etwa einem Monat in Großbritannien und Irland seinen Anfang genommen, als Spuren von Pferdefleisch in Hamburgern aus Supermärkten gefunden wurden. Auch in Deutschland sind zuletzt immer mehr Produkte in Verdacht geraten. Insgesamt wird das Betrugsgeflecht aus Produzenten, Lieferanten und Händlern aber nur langsam entwirrt.
Aigner setzt jedoch nicht auf härtere Strafen. Es müssten zunächst die Ursachen geklärt und dann so hart wie möglich vorgegangen werden, sagte sie im Deutschlandfunk. Es gebe bereits einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Haft. Es gehe aber auch um den Täuschungsschutz. Dazu sei es wichtig, ein Frühwarnsystem aufzubauen, um zu erkennen, wo es für Betrüger wirtschaftliche Anreize gebe, Gewinne abzuschöpfen und teurere Produkte gegen billigere Produkte auszutauschen. Über Lieferketten und Schlachtlisten könne etwa überprüft werden, wo mehr von einer Fleischart hergestellt werde, die dann nirgends mehr auftauche.
Bayerns Umwelt- und Gesundheitsminister Marcel Huber forderte dagegen, die Strafen bei falsch deklarierten Lebensmitteln zu verschärfen, selbst wenn keine Gesundheitsgefährdung vorliege. "Die derzeitigen Strafen sind verhältnismäßig niedrig bei Falschdeklaration. Man sollte darüber nachdenken, das unzulässige Einmischen von nicht deklariertem Fleisch ordentlich unter Strafe zu stellen", sagte Aigners Parteifreund dem Bayerischen Rundfunk.
Dauerhafte Einführung von DNA-Tests möglich
Teil des nationalen Aktionsplans Aigners ist unter anderem eine europaweite Herkunftskennzeichnung auch für verarbeitete Fleischprodukte. Darüber wird auf EU-Ebene schon länger debattiert. Die deutsche Regierung hatte sich dagegen bislang aber gewehrt. Bisher muss bei rohem Rindfleisch zum Beispiel vermerkt sein, aus welchem Staat und Bundesland es stammt - nicht aber bei Fertigware mit Fleisch.
EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg drohte den Hintermännern des Skandals die "volle Härte des Strafrechts" an. In der "Bild"-Zeitung schloss Borg zugleich die dauerhafte Einführung von DNA-Tests für Fleisch auf EU-Ebene nicht mehr aus. "Wir setzen alles daran, den Betrügern so schnell wie möglich das Handwerk zu legen", sagte Borg. Falsch deklariertes Fleisch in den Handel zu bringen, sei "kein Kavaliersdelikt". "Und wer sogar Fleisch mit Medikamenten-Rückständen wie Phenylbutazon auf den Markt bringt, ist ein Verbrecher."
Institut entdeckt Schweinefleisch in Döner
Lebensmittelanalytiker rechnen zudem damit, dass der Pferdefleisch-Skandal noch weitere Kreise zieht. "Da jetzt flächendeckend analysiert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es weitere Entdeckungen im Fleischskandal gibt", sagte der Geschäftsführer des IFP-Instituts für Produktqualität in Berlin, Wolfgang Weber.
Er bestätigte, dass sein Institut bei Döner-Untersuchungen in Leipzig und Berlin in einer Probe einen Anteil von einem Prozent Pferdefleisch entdeckt hat - und in drei Proben sieben Prozent Schweinefleisch. Die Lebensmitteltester hatten im Auftrag des Fernsehsenders RTL Döner untersucht.
Vor allem die Herkunft des Schweinefleischs müsse untersucht werden, und wie es in Döner gelangen konnte. Da der muslimische Glauben den Verzehr von Schweinefleisch verbietet, enthält Döner in der Regel Rind-, Lamm- oder auch Puten- und Hühnerfleisch.
yes/dpa/Reuters