Österreicher jubeln über Maut-Urteil "Ein zweites Córdoba"

Das EuGH-Urteil zur Pkw-Maut sorgt in Österreich für Begeisterung - und erinnert so manchen an den legendären Sieg über Deutschland bei der Fußball-WM 1978. Nur ein Unternehmen sorgt sich um seine Umsätze.
Die A8, Ausfahrt Bernau: In Österreich wird die Entscheidung des EuGH bejubelt

Die A8, Ausfahrt Bernau: In Österreich wird die Entscheidung des EuGH bejubelt

Foto: Westend61/ imago images

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen eine deutsche Pkw-Maut hat in Österreich für Begeisterung gesorgt.

Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer, der während seiner Amtszeit immer wieder erfolglos mit seinem Amtskollegen Andreas Scheuer verhandelte, schreibt stolz: "Das heutige Urteil gibt der österreichischen Position recht." Hofers Nachfolger Andreas Reichhardt bietet den Deutschen süffisant sein "Know-how" für eine diskriminierungsfreie Lösung an. Und die Tageszeitung "Der Standard" spricht, in Erinnerung an den Sieg über Deutschland bei der Fußball-WM 1978, von einem "zweiten Córdoba". 

In Österreich empfand man den CSU-Vorstoß zur "Ausländer-Maut" von Anfang an als Affront, als billigen Versuch der Deutschen, mit Pendlern Kasse zu machen. Rund 1,8 Millionen Autofahrer wären Schätzungen des österreichischen Automobilclubs zufolge von einer solchen Maßnahme betroffen. Und der frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt tat wenig, um sie zu besänftigen.

Noch im Februar sagte Dobrindt, mittlerweile CSU-Landesgruppenchef: "Die Maut-Maulerei der Österreicher muss jetzt endlich ein Ende haben." Die Maulerei hat nun tatsächlich ein Ende - nur nicht so, wie Dobrindt sich das vorgestellt hat.

Fotostrecke

Mauten in Europa: Wo An- und Abreise für Deutsche am meisten kosten

Foto: Frank Sorge/ imago images

Einer, der sich über das Urteil freut, ist der Europarechtsexperte Walter Obwexer. Die Gutachten des Innsbrucker Universitätsprofessors bestärkten die damalige österreichische Regierung darin, eine Klage vor dem EuGH anzustrengen. Wäre die Maut in dieser Form gekommen, sagt Obwexer, "hätte das eine größere Sprengkraft entfaltet als der Brexit".

Österreich hätte sich im Falle einer nur für Ausländer belastenden Maut einfach revanchiert: Mit einer Verdoppelung der Vignetten-Maut für Ausländer, oder einer Erhöhung der Studiengebühren, "da wäre sehr vieles möglich gewesen". Quid pro quo, alle gegen Deutschland. Ein solcher Wettbewerb, sagt Obwexer, könne nicht im Sinn der europäischen Staaten sein: "Man kann sich doch nicht im Europäischen Rat freundlich zulächeln und sich am nächsten Tag ganz legal das Messer in den Rücken rammen."

Tatsächlich wurde gerade Österreich in der Vergangenheit vorgeworfen, seine eigenen Bürger in Sachen Autobahnen zu bevorzugen. Bei Einführung der Vignette ("Pickerl") im Jahr 1997 wurden Österreicher über eine Erhöhung der Pendlerpauschale entlastet. Später kam noch ein sogenannter "Pendlereuro" dazu, den Berufspendler von der Lohnsteuer absetzen können. Ist das keine Diskriminierung ausländischer Autofahrer? Schon, sagen Experten, aber eine zulässige: Von der österreichischen Lösung profitiert nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, außerdem stehen die Maßnahmen nicht in direktem Zusammenhang mit dem "Pickerl".

Österreichische Vignette: "Pickerl" schlägt Maut

Österreichische Vignette: "Pickerl" schlägt Maut

Foto: Tobias Hase/dpa

Beim großen Nachbarn wäre das anders gewesen: Während deutsche Autofahrer über die Kfz-Steuer keine Nachteile durch die Maut erfahren hätten, wären sämtliche österreichischen Pendler schon für einen kurzen Trip von Tirol nach Salzburg übers deutsche Eck belastet worden.

Dementsprechend gibt es in der Alpenrepublik gerade sehr viele Gewinner - aber auch einen Verlierer: das Unternehmen Kapsch TrafficCom. Der Wiener Konzern hätte an einer Einführung der Maut kräftig mitverdient, denn er wäre gemeinsam mit der deutschen CTS Eventim für Bau und Betrieb des deutschen Mautsystems verantwortlich gewesen. Damit ist jetzt Schluss, zumindest vorläufig. "Wir haben vertragliche Schutzbestimmungen. Es braucht niemand glauben, dass wir da einen Verlust einfahren", sagte Unternehmer Georg Kapsch der österreichischen Presseagentur APA. Ein erwartetes Umsatzplus von rund fünf Prozent in diesem Jahr könnte, wenn die Maut tatsächlich abgesagt wird, aber womöglich "einkassiert werden".

"Rechtlich ist die Maut noch nicht tot", sagt Jurist Obwexer, Deutschland könne durchaus einen zweiten Anlauf unternehmen, solange man sich am österreichischen Modell orientiere. Also: Steuerreduktion ja, aber nicht zeitgleich, nicht vollständig und nur für einzelne, belastete Gruppen - etwa Pendler. Bis es soweit ist, kann Österreich aber erst mal aufatmen. Es sei nie darum gegangen "den Großen in die Knie zu zwingen", sagt Obwexer, sondern darum, eine Rechtsfrage zu klären.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten