Polen Händler wehren sich gegen Supermarktsteuer
Der Gesetzentwurf der polnischen Regierung hat es in sich - vor allem für internationale Einzelhandelskonzerne wie Kaufland und Metro aus Deutschland, Tesco aus Großbritannien oder Carrefour aus Frankreich. Künftig sollen die Händler eine neue Steuer zahlen. "Gegenstand der Besteuerung ist der monatliche Umsatz", heißt es in einer offiziellen Mitteilung des Finanzministeriums.
Unternehmen mit einem Monatsumsatz von mehr als 300 Millionen Zloty (rund 67 Millionen Euro) sollen ihre Einnahmen künftig mit 1,3 Prozent besteuern. Auf Umsätze an Samstagen, Sonntagen und an den Feiertagen gilt sogar ein Satz von 1,9 Prozent.
Firmen mit einem niedrigeren Umsatz sollen dem Ministerium zufolge einen Steuersatz von 0,7 Prozent zahlen. Darüber hinaus sieht der Entwurf einen Freibetrag vor und schließt die Besteuerung von bestimmten Waren und Gütern aus.
Für Metro ist Polen ein Milliardenmarkt
Die nationalkonservative Regierung der Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat den internationalen Einzelhandelsketten damit den Kampf angesagt - und der Streit darüber dürfte noch lange nicht ausgestanden sein. Die Partei hatte die Besteuerung der ausländischen Konzerne schon im vergangenen Herbst ins Wahlprogramm geschrieben - und hoffte, damit bei ärmeren und patriotisch eingestellten Wählern zu punkten.
Im Gegenzug hat die PiS sich mächtige Gegner geschaffen. Denn anders als vielfach berichtet soll das Gesetz nicht nur für Supermärkte gelten - sondern für alle Einzelhändler. So müssen sich damit nicht nur die internationalen Supermarktketten wie Metro, Tesco oder Lidl auseinandersetzen, sondern auch beispielsweise Verkäufer von Unterhaltungselektronik.
Besonders für die deutsche Metro ist Polen ein strategisch wichtiger Markt, die Unternehmensgruppe setzte in dem osteuropäischen Land im Geschäftsjahr 2014/15 rund 2,7 Milliarden Euro um - davon rund 1,6 Milliarden Euro in den Cash & Carry-Geschäften und rund 1,1 Milliarden Euro bei Media Markt. Die Metro-Aktie hatte nach Bekanntwerden der Pläne zunächst kräftig an Wert verloren, allerdings stabilisierte sich der Kurs wieder.
Supermarktsteuer zur Finanzierung von Kindergeld
Der Grund für den Vorstoß ist das ambitionierte Wirtschaftsprogramm der Regierung, in dem die Sondersteuern für internationale Konzerne eine wichtige politische Rolle spielen. Das Finanzministerium kalkuliert für 2016 Zusatzeinnahmen von umgerechnet 445 Millionen. Und das Geld braucht die allein regierende PiS-Partei auch, zur Finanzierung jener sozialen Leistungen, die sie im Wahlkampf angekündigt hat - zum Beispiel Kindergeld von 500 Zloty ab dem zweiten Kind.
Allerdings stößt die Sondersteuer auch bei polnischen Händlern auf massiven Widerstand. Seit Monaten diskutiert die Regierung mit den Vertretern der Branche, die keine zusätzlichen Lasten hinnehmen will. "Das, was der Herr Minister vorschlägt, ist ein großes Missverständnis", zitiert der einheimische Fachdienst "dlahandlu" den Chef der Polnischen Handelskammer PIH Waldemar Nowakowski. "Dies dürfte dem polnischen Handel den Rest geben", sagte der Funktionär, der rund 30.000 Mitglieder vertritt.
Auch der Chef des polnischen Handelsverbands PRCH, Radoslaw Knap, warnte die PiS-Regierung vor zu großen Belastungen: "In den 455 Handelszentren in Polen gibt es rund 3000 Marken aus unterschiedlichen Branchen, die im Land insgesamt 400.000 Arbeitsplätze schaffen", sagte Knap.
Handelsbranche setzt auf Unterstützung durch die EU
Der Widerstand fast aller wichtigen Branchenvertreter ist auch der Grund, weshalb Finanzminister Pawel Szalamacha seinen Gesetzentwurf erst jetzt veröffentlicht. Eigentlich hatte der nationalkonservative Politiker den Händlern versprochen, das Projekt schon früher zu präsentieren. "Offenbar hat er sich noch mehr Zeit genommen, weil er nicht wusste, ob das Gesetz auch EU-konform ist", spekulierte der einheimische Finanzdienst Money.pl.
Tatsächlich ist gerade das Vorhaben, internationale Einzelhändler zu besteuern, den Investoren ein Dorn im Auge. Sie hatten dies schon während des Wahlkampfs im Herbst argwöhnisch verfolgt - unabhängig davon, wie viel die Unternehmen nun mehr bezahlen sollen.
Die Unternehmen haben bereits weiteren Widerstand angekündigt. "Wir beobachten die Entwicklungen seit einigen Monaten sorgfältig gemeinsam mit dem polnischen Handelsverband POHiD und dem europäischen Dachverband des Handels EuroCommerce", sagte eine Metro-Sprecherin SPIEGEL ONLINE. Um das Gesetz noch zu stoppen, setzen die Konzerne auf politische Unterstützung: "Die Einleitung möglicher rechtlicher Schritte gegen die geplante Sondersteuer betrachten wir als Aufgabe der polnischen und europäischen Handelsverbände sowie der EU-Kommission."
Zusammengefasst: Nach langen Diskussionen mit polnischen und europäischen Handelsverbänden hat die polnische Regierung ein Gesetz für eine Sondersteuer auf Einzelhandelsumsätze vorgestellt. Der Grund für den Vorstoß ist das ambitionierte Wirtschaftsprogramm der Regierung. Das Finanzministerium kalkuliert für 2016 mit Zusatzeinnahmen von umgerechnet 445 Millionen. Das Geld braucht die allein regierende PiS-Partei zur Finanzierung sozialer Leistungen, die sie im Wahlkampf angekündigt hat - zum Beispiel Kindergeld von 500 Zloty ab dem zweiten Kind. Ziel sind internationale Konzerne - betroffen sind aber auch polnische Unternehmen.