Prism-Programm Unternehmen befürchten Industriespionage der NSA

Die Datengier der NSA sorgt inzwischen auch für Alarmstimmung in der deutschen Wirtschaft. In den Verbänden wächst die Befürchtung, die Informationen könnten nicht nur zur Terrorbekämpfung dienen, sondern auch zur Industriespionage.
Deutscher Maschinenbau: Sorge vor Industriespionage wächst

Deutscher Maschinenbau: Sorge vor Industriespionage wächst

Foto: Oliver Berg/ dpa

Berlin - Sie sind unersättlich: Beim Sammeln von Daten haben die IT-Experten vom US-Geheimdienst NSA jeden Rahmen gesprengt. Entsprechend groß ist jetzt der Argwohn, die privaten Informationen könnten auch zu ganz anderen Zwecken verwendet worden sein als nur zur Terrorabwehr - nämlich zur Wirtschaftsspionage.

Es sei ein Alarmsignal, dass offenbar auch EU-Institutionen vom US-Geheimdienst NSA abgehört werden, sagte der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union Hans Michelbach: "Die EU ist kein Unterstützer von Terroristen, wohl aber ein starker Konkurrent auf dem Weltmarkt." Es müsse daher befürchtet werden, dass die NSA und andere US-Nachrichtendienste nicht nur europäische Institutionen, sondern auch europäische und insbesondere deutsche Unternehmen gezielt ausspionierten, um den USA "unlautere Vorteile" zu verschaffen.

Angriffsziele gibt es genügend. Dazu gehören besonders jene Branchen, die große Summen für Forschung und Entwicklung ausgeben, in der Luft- und Raumfahrt oder der Satellitentechnik zum Beispiel. Auch die Rüstungs- und Automobilindustrie verfügen über teures Know-how. "Deshalb setzen ausländische Nachrichtendienste den gesamten Werkzeugkasten ihrer Ausspähinstrumente ein, um an sie zu gelangen", erklärt Deutschlands oberster Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen. "Die Unternehmen sollten im Auge haben, welche Folgen es haben kann, wenn sie bei der Verwaltung ihrer Daten mit einem ausländischen Partner zusammenarbeiten. Das jetzt bekannt gewordene US-Spähprogramm Prism hat die damit verbundenen Gefahren deutlich zutage treten lassen."

Ausspähaktionen schwer nachzuweisen

Die Nachrichten über den NSA-Abhörskandal lösen bei den Verbänden denn auch Alarmstimmung aus. "Die aktuellen Berichte über das Ausmaß der Überwachung und Speicherung von Daten durch die NSA sind auch aus Sicht der deutschen Industrie beunruhigend", erklärt Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

"Nationale Dienste wie die NSA verfügen über Algorithmen, um geeignete Daten aus der Masse herauszufiltern", erklärt Rainer Glatz, der beim Verband der Maschinenbau-Unternehmen VDMA für die Datensicherheit zuständig ist. Deshalb sei die Sorge, dass auch Wirtschaftsspionage im Spiel sei, auf jeden Fall begründet.

Milliardenschäden durch Industriespionage

Auch der Bundesverband der mittelständischen Unternehmer ist misstrauisch. Mehr als 93 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen hätten bereits Schäden durch Sicherheitslücken im IT-Bereich erlitten, erklärte Verbandspräsident Mario Ohoven. Mehr als 1300 Weltmarktführer in Deutschland seien lohnende Zielen von Industriespionage, durch Konkurrenten ebenso wie durch ausländische Geheimdienste.

Auch wenn die Urheber im Dunkeln bleiben, ist der Schaden dafür umso spürbarer, wie eine Umfrage des Sicherheitsberaters Corporate Trust  unter Mittelständlern und Großunternehmen zeigt. Danach sind die Unternehmen zwar immer noch in erster Linie vor Spionageangriffen aus Russland bedroht; doch immerhin 25,2 Prozent der entdeckten Angriffe kommen aus den USA - und nur 10,4 Prozent aus Asien.

Den Schaden beziffern die Verantwortlichen für das vergangene Jahr auf 4,2 Milliarden Euro. 2007 hatte die gleiche Befragung noch einen Schaden von 2,8 Milliarden Euro ergeben. Die Dunkelziffer ist jedoch viel höher. Experten schätzen die Gesamtsumme auf mehr als 20 Milliarden Euro. Die Zahlen belegten eindringlich, wie hoch das neue Bedrohungspotential durch Cyberwar tatsächlich sei, heißt es in der Studie. Und ein nicht unerheblicher Teil davon kommt aus den USA.

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