Rente mit 63 EU-Kommissar Rehn erwägt Verfahren gegen Deutschland

Die abschlagsfreie Rente mit 63 sorgt weiter für heftige Kritik. Der Beschluss werde "negative Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen haben", sagte EU-Wirtschaftskommissar Rehn der "Wirtschaftswoche" - die Einleitung eines Verfahrens gegen Deutschland werde geprüft.
EU-Kommissar Rehn: "Keine überzeugenden ökonomischen Argumente"

EU-Kommissar Rehn: "Keine überzeugenden ökonomischen Argumente"

Foto: Olivier Hoslet/ dpa

Hamburg - EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn hat erneut scharfe Kritik an den deutschen Plänen für eine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren geäußert - und mit rechtlichen Schritten gedroht. "Für das Zurückdrehen der Rentenreform fallen mir keine überzeugenden ökonomischen Argumente ein, vor allem nicht vor dem Hintergrund einer stark alternden Gesellschaft", sagte Rehn der "Wirtschaftswoche". Die Beschlüsse der Bundesregierung werden Rehn zufolge "negative Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen haben".

Auf die Frage, ob Deutschland wegen der Rentenreform Ärger mit der EU-Kommission drohe, antwortete Rehn: "Das könnte durchaus der Fall sein." Für eine definitive Aussage sei es aber noch zu früh. Konkrete Angaben dazu, worauf sich ein solches Verfahren stützen könnte, enthielt der Bericht nicht.

Mit dem geplanten Gesetz könnten Beschäftigte schon mit 61 Jahren ihre Arbeit aufgeben, um die zwei folgenden Jahre Arbeitslosengeld I zu beziehen und danach mit 63 in Rente zu gehen. Für die abschlagsfreie Rente mit 63 dürfen Beschäftigte innerhalb von 45 Beitragsjahren maximal zwei Jahre lang Arbeitslosengeld I bezogen haben. Erst vor kurzem hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) vor zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe gewarnt, sollte die Rente mit 63 unverändert Gesetz werden.

"Politische Realitätsverweigerung"

Auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) kritisierte erneut die Pläne der Regierung. "Das ist für mich ein klarer Fall von politischer Realitätsverweigerung", sagte Hans Peter Wollseifer der "Wirtschaftswoche". Wegen der demografischen Entwicklung sollten alle, die es können, bis zur Regelaltersgrenze arbeiten. Diese liegt künftig bei 67 Jahren.

Auch in der Koalition gibt es über die Rente mit 63 noch Debatten. Die bislang von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgesehenen Regelungen seien zu großzügig, missbrauchsanfällig und zu teuer, kritisierte Unionsfraktionsvize Sabine Weiß. "Bei der Rente mit 63 gibt es noch viel Verhandlungsbedarf", sagte sie der "Wirtschaftswoche".

Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte vor einer "Frühverrentungswelle": Wegen dieser Gefahr werde seine Partei darauf bestehen, dass die Rente mit 63 nicht direkt aus der Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen werden könne, sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" . Die Verhandlungen darüber seien nicht einfach, "aber darauf bestehen wir".

aar/AFP/Reuters
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