Wahlversprechen Top-Ökonomen kritisieren Merkels Nein zur Rente mit 70

Das Renteneintrittsalter bleibt bei 67 Jahren, verspricht die Kanzlerin. Hochrangige Experten halten das nicht für tragfähig. Die deutsche Altersvorsorge werde so auf Dauer kaum zu finanzieren sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Führende Ökonomen kritisieren, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rente mit 70  im TV-Duell kategorisch ausgeschlossen hat. Ein solches Versprechen möge "zwar wahltaktisch erfolgreich sein, nicht aber langfristig für die deutsche Gesellschaft", sagte der Präsident des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der Düsseldorfer "Rheinischen Post".

"Die demografische Entwicklung, die verlängerte Lebenszeit, machen ein späteres Renteneintrittsalter notwendig", argumentierte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. "Anders kann das System nicht finanziert werden." Die Rente mit 70 müsse kommen, forderte Fratzscher in der "Südwestpresse" und der "Märkischen Oderzeitung". Es müsse aber Regelungen für jene geben, die nicht so lange arbeiten könnten.

Die CDU-Chefin hatte sich im TV-Duell deutlich gegen ein späteres Renteneintrittsalter ausgesprochen und sich damit gegen andere Mitglieder aus ihrer Partei abgegrenzt. Der Wirtschaftsrat der CDU hatte im vergangenen Jahr gefordert, es müsse bis 70 gearbeitet werden.

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Jens Spahn, forderte kürzlich eine sukzessive Anhebung des Rentenalters. Derzeit steigt das Renteneintrittsalter für Arbeitnehmer mit jedem Geburtsjahr um einen Monat. 2031 wird die Altersgrenze von 67 Jahren erreicht sein. Spahn plädiert dafür, dass das Renteneintrittsalter auch in den Folgejahren jeden Monat weiter ansteigt.

Rückhalt bekam Merkel von einem hochrangigen Gewerkschaftsvertreter. "Frau Merkel hat der Rente mit 70 eine klare Absage erteilt", lobte Ver.di-Chef Frank Bsirske im Gespräch mit der der "Passauer Neuen Presse". "Das halte ich für glaubwürdig." Bsirske spielte damit auf SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz an, der Merkel im TV-Duell unterstellt hatte, schon einmal in einem TV-Duell ein falsches Versprechen abgegeben zu haben. "Man darf sich jedoch nichts vormachen", schränkte Bsirske ein. "Es ist eine Festlegung ausschließlich für die nächsten vier Jahre."

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter schlägt indes in dieselbe Kerbe wie Schulz. Es gebe nach wie vor "starke Kräfte innerhalb der Union, die Leute dazu bringen wollen, bis 70 zu arbeiten", sagte er am Montag im ARD-"Morgenmagazin".

ssu/dpa-AFX
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