»Wer eher in den Ruhestand geht, erhält weniger« FDP will flexibles Rentenalter

Ältere Frau am Computer: Wann ist das beste Rentenalter?
Foto: Franziska Gabbert / dpaMit einer Äußerung über den Andrang auf Frührente hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Grundsatzdebatte über das Eintrittsalter in den Ruhestand angestoßen. Die FDP wittert eine Chance für ein Thema, das sie sowieso auf der Agenda hat.
So hat sich FDP-Vizechef Johannes Vogel für eine weitgehende Flexibilisierung beim Rentenbeginn ausgesprochen. »Ich bin überzeugt: Niemand muss den Menschen mehr vorschreiben, wann sie in Rente zu gehen haben – auch weil die Lebensläufe immer unterschiedlicher werden«, sagte Vogel der Nachrichtenagentur dpa.
In Schweden gebe es ein Beispiel, wie das funktionieren könne. Dort können die Bürgerinnen und Bürger innerhalb eines Korridors entscheiden, wann sie in Rente gehen möchten. Je früher man geht, desto weniger Rente erhält man.
Vogel sagte, Schweden erreiche so das höchste faktische Renteneintrittsalter in Europa sowie mehr Selbstbestimmung für die Menschen. Dabei gelte in Schweden eine ganz einfache Regel: »Wer eher in den Ruhestand geht, erhält weniger Rente, wer später geht, erhält mehr.« Vogel forderte: »Daran sollten wir uns auch hier orientieren.« Die FDP fordere dies schon lange.
Vogel erinnerte daran, dass im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart worden sei, zum skandinavischen Rentenmodell einen Dialogprozess zu führen. »Auch dieses Vorhaben des Koalitionsvertrags sollten wir diese Legislatur entschlossen angehen«, forderte Vogel.
Zuvor hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür ausgesprochen, dass künftig mehr Menschen als bisher tatsächlich bis zum geltenden Renteneintrittsalter arbeiten. »Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können«, hatte der Kanzler erklärt.
Unionspolitiker hatten dies so interpretiert, dass die SPD von der Rente mit 63 für langjährig Versicherte abrücke.
Die SPD wiederum bemüht sich, diese Debatte einzufangen. Scholz habe mit seinem Vorstoß für ein höheres, tatsächliches Renteneintrittsalter nicht die Möglichkeiten zum vorzeitigen Ruhestandsbeginn infrage stellen wollen, hatte Parteichefin Saskia Esken erklärt. »Es geht überhaupt nicht darum, eine neue Debatte aufzumachen in Bezug auf das Rentenalter.«
Auch SPD-Ministerpräsident Weil steigt in Debatte ein
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warb nun für mehr Flexibilität. »Am besten wäre ein System, in dem Menschen ab einem bestimmten Alter selbst entscheiden, wie lange und wie viel sie arbeiten wollen«, sagte der SPD-Politiker dem »Tagesspiegel«. »Aber wer nicht mehr weiter arbeiten kann oder will, muss auch früher gehen und von seiner Rente leben können.« Weil sprach von einem »Teil-Ruhestand« mit flexiblem Übergang zwischen Erwerbstätigkeit und Rente.
SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, mit den Sozialpartnern darüber zu diskutieren, wie Wünsche nach längerem Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können. In die Debatte einbeziehen will die Ampel neben einem flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild auch die Situation belasteter Berufsgruppen.
Eine weitere Anhebung des Rentenalters hatte die Ampel im Koalitionsvertrag zugleich ausgeschlossen. Nach geltender Rechtslage wird die Altersgrenze ohne Rentenabschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben.
Ver.di-Chef Frank Werneke forderte, die Finger von Regelungen zu lassen, die einen früheren Renteneintritt ermöglichen. »Viele Menschen gehen früher in Rente und nehmen dafür hohe finanzielle Einbußen in Kauf, weil sie darin den einzigen Ausweg aus einer Arbeitsbelastung sehen, die sie nicht bis zum Rentenalter stemmen können«, sagte er der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten« (Dienstag).
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt, zeitnah ein Rentenpaket II vorzulegen. Dies soll die Weichen für eine langfristige Stabilisierung der Rente stellen, auch wenn immer mehr Angehörige geburtenstarker Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen.