Retter aus griechischer Schuldenfalle Der 300-Milliarden-Euro-Mann

Petros Christodoulou: "Man wartet nicht unbedingt auf so ein Angebot"
Foto: Nikos PilosWenn Petros Christodoulou an seinem Schreibtisch sitzt, fällt sein Blick ganz unweigerlich auf ein Relikt aus besseren Tagen, das wie ein Fluch der guten Tat auf ihn wirken muss - und als Mahnung. "Bester staatlicher Schuldner" steht auf einer Urkunde, die fein säuberlich gerahmt auf der Fensterbank ihm gegenüber thront. Sie wurde der Regierung in Athen 2007 vom britischen Finanzfachblatt "EuroWeek" verliehen, zur besonderen Anerkennung.
Dahin soll Christodoulou sein Land wieder bringen. Wenn schon nicht Griechenlands Einnahmen exorbitant gesteigert werden können, dann wenigstens soll er günstige Kredite auf den Finanzmärkten besorgen, um mit neuen Schulden die alten Schulden zu bezahlen. Und so die Gläubiger ruhigstellen und mithelfen, die Finanzkrise seines Landes in den Griff zu kriegen und den Euro zu stabilisieren.
Vor nicht einmal einem Monat hat ihn Premier Georgios Papandreou, 57, zum obersten Schuldenmanager auserkoren, als Generaldirektor der staatlichen Schuldenagentur PDMA. Ein durchaus zweifelhaftes Vergnügen bei annähernd 300 Milliarden Euro Verbindlichkeiten und Zinsen für Staatsanleihen, die bis zu drei Prozentpunkte höher sind als für andere europäische Partner, die nicht am Rande eines Staatsbankrotts stehen.
Studium an der Columbia University
Und trotzdem hat Christodoulou nicht eine Sekunde gezögert. "Man wartet nicht unbedingt auf so ein Angebot," sagt der Finanzmanager, "aber es gibt Momente in der Karriere, da muss man die Zähne zusammenbeißen und darf nicht lange fackeln." Nun will er mit seinen Möglichkeiten beitragen, sein Heimatland "aus der zugegeben schwierigen Situation" herauszuführen.
Diese Möglichkeiten müssen außerordentlich sein, glaubt man den Vorschusslorbeeren in der Hauptstadt. Christodoulou hat Finanzwissenschaften in Athen und an der New Yorker Columbia-Universität studiert, er hat in den Spitzenetagen renommierter Geldhäuser gesessen, bei Credit Suisse, Goldman Sachs, J.P. Morgan und zuletzt in der griechischen Nationalbank, bevor er zum Retter ausersehen wurde. "Ich bin hoch aufgestiegen und wie mit einem Fallschirm über unbekanntem Terrain abgeworfen worden", sagt er dazu nur. Wie die Landung war, das will er erst später beurteilen.
Wie in einer Kampfleitzentrale vor der letzten Schlacht gegen den drohenden Bankrott sieht das "Front-Office" (Christodoulou) der Schuldenagentur nicht gerade aus. Der Flur, in den Landesfarben Blau und Weiß gehalten, ist ruhig, viele Schreibtische sind eigentümlich aufgeräumt, etliche Plätze sind frei.
Er ist ein Getriebener
Mit 20 Mitarbeitern sitzt er hier, wo nur Macher das Sagen haben. Hier wird nicht lange gefackelt, hier wird entschieden: Welche Anleihe platziert wird und wo, wie hoch gezeichnet sie sein soll und zu welchen Konditionen. Die Spielregeln diktiert der Markt, das gilt auch für die Arbeitszeiten. "Mein Leben ist der Finanzmarkt", sagt er, "da gibt es keinen Stundenplan. Ich bin da, wenn es was Neues gibt, ich bin da, wenn jemand eine Idee hat, morgens, nachmittags abends. Ich tausche E-Mails aus mit dem Finanzminister morgens um ein Uhr früh."
Seinem sorgfältig gebügelten weißen Hemd sieht man das nicht an, er sitzt in Hemdsärmeln in seinem Stuhl, wie aus dem Ei gepellt. Ob er bei all der Verantwortung noch gut schlafen kann? Christodoulou, sonst ein Mann des schnellen Wortes, macht eine lange Pause. Dann sagt er wie abwesend: "Ich glaube, das ist machbar, deswegen bin ich hier." Für Schwäche ist jetzt kein Platz.
Der Vater zweier Kinder ist ein Getriebener. Getrieben von den Finanzmärkten, vom Auf und Ab der politischen Debatten, in Athen, Brüssel und halb Europa, getrieben vom Druck der Erwartungen, die auf seinen Schultern lasten, aber auch vom Anspruch an sich selbst. Da will er sich keine Gefühle erlauben. Er sei Technokrat, sagt er über sich. "Ich muss emotionslos handeln."
Schnell und entschlossen
Vor allem muss er rund 16 Milliarden Euro bis Ende Mai auftreiben, um fällige Schulden abzulösen, notfalls mit neuen Krediten. Rund 26,7 Milliarden sind es bis Jahresende. In der zweiten April-Hälfte soll der Durchbruch gelingen. Da geht er mit seinen Leuten auf "Roadshow" in die USA und nach Asien: "Wir haben eine Geschichte zu erzählen."
Die Geschichte handelt von einem Griechenland, das seinen beschwerlichen Weg erfolgreich gehen wird, das danach gute Investitionsmöglichkeiten bietet und heute für Kredite so attraktive Risikozinsen zahlt, dass sich eigentlich kein internationaler Kreditgeber "leisten kann, nicht dabei zu sein". Dabei spekuliert er ganz unverhohlen auf die boomenden Finanzzentren in Südostasien und den Schwellenländern.
Christodoulou entscheidet schnell und entschlossen, er denkt patriotisch und handelt global, er ist deshalb vermutlich die Idealbesetzung. Wenn er die strahlend weißen Zähne bleckt, dann weiß man nicht, ob sich ein lautes Lachen aus seiner Kehle löst oder ob er gleich zubeißt.
Die nächsten Gesprächspartner warten schon
Eben noch staucht er einen Mitarbeiter am Telefon zusammen, weil der Bildschirm seines Laptops mit den neuesten Notierungen nur ein flackerndes Bild zeigt. Dann lacht er herzhaft über eine Frage oder ein Eingeständnis, das ihm nebenbei herausgerutscht ist. "Wir brauchen auch Glück", hat er da gesagt, und "ich geh auch zur Kirche". Pause, Lachen: "Ich brauche alle verfügbaren Kräfte."
Der Reiz an der schier überbordenden Aufgabe ist für ihn die Herausforderung, vor allem aber ist es eine patriotische Pflicht. Rund 300.000 Euro soll er auf seinem letzten Bankposten verdient haben, hat das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" errechnet, jetzt soll es um einiges weniger sein: "Ich erinnere mich nicht", sagt er und lacht dazu ein Lachen, das seine Augen nicht erreicht, Diskussion beendet. "Eines ist sicher", schiebt er nach, "ich bin kein Politiker, und ich plane keine politische Karriere."
Draußen vor der Tür warten längst die nächsten Gesprächspartner, aber drinnen in seinem Büro ist die Roadshow noch nicht zu Ende: "Ich bin hier, um meinen Job zu machen und Griechenland zu helfen", sagt er, "mein Sohn ist stolz auf mich." Beim Hinausgehen fällt ihm noch was Wichtiges ein: "Hab ich eigentlich schon erzählt, dass ich noch nicht mal meinen Vertrag unterschrieben habe?" Er bleckt die Zähne - und lacht.