Rohstoffförderung USA stehen vor Energieboom im Atlantik

Nach jahrzehntelangem Verbot könnten die USA die Förderung von Öl und Gas im Atlantik wieder erlauben. Damit würde das Land seine Position als einer der größten Energieproduzenten der Welt stärken. Während die Branche das große Geschäft wittert, kommt nicht nur von Umweltschützern Widerstand.
Von Tennille Tracy
Strategische Ölreserve der USA: Nachschub aus dem Atlantik

Strategische Ölreserve der USA: Nachschub aus dem Atlantik

Foto: DPA/U.S. Department of Energy

Energiethemen werden in Barack Obamas zweiter Amtszeit eine wichtige Rolle spielen. Die wichtigste Entscheidung, die der US-Präsident dabei treffen muss, dreht sich um Rohstoffvorkommen unter dem Meeresboden. Werden die USA nach einem jahrzehntelangen Verbot die Förderung von Öl und Erdgas im Atlantik wieder erlauben?

Die Energieunternehmen sind begierig darauf herauszufinden, wie groß das Öl- und Erdgasvorkommen unter dem atlantischen Meeresboden ist. Sie drängen die Regierung dazu, seismische Messungen durchführen zu lassen. Wenn sie zustimmt, könnten spezialisierte Unternehmen schon im kommenden Jahr damit beginnen.

Je nachdem wie groß die Vorhaben sind, könnten die USA ihre Produktion ausweiten und ihre Rolle als einer der weltweit dominierenden Energieproduzenten manifestieren. Die Internationale Energieagentur veröffentlichte in der vergangenen Woche Prognosen, nach denen die Vereinigten Staaten bald an Saudi-Arabien als größtem Ölproduzenten der Welt vorbeiziehen werden.

Vor mehr als 20 Jahren verboten die USA Bohrungen vor der Atlantikküste, unter anderem weil es damals dafür kaum politische Unterstützung gab. Auch dieses Mal wird es Widerstand geben. Einige Staaten an der Ostküste lehnen die Bohrungen ab. Umweltschutzgruppen sind nicht nur gegen die Bohrungen im Meer, sondern auch gegen die Bodenuntersuchungen, die vorher durchgeführt werden müssen.

Wie viel Öl und Erdgasreserven in der Gegen schlummern, ist nicht klar - obwohl vor der kanadischen Atlantikküste bereits gefördert wird. Der Geologische Dienst der USA schätzt, dass 4,6 Milliarden Barrel unentdecktes Öl weiter südlich vor der kubanischen Nordküste lagern. Ein paar Unternehmen haben dort bereits Probebohrungen durchgeführt, allerdings ohne Erfolg.

Unternehmen haben ohne Erfolg Probebohrungen durchgeführt

"Wir wissen, dass es weiter im Norden Öl gibt und weiter im Süden auch", sagt James Noe, führender Manager bei der Bohrfirma Hercules Offshore. "Es gibt nur nicht viele Informationen darüber, wo das Öl in der Mitte ist."

"Mit der richtigen Politik kann die Förderung dieser Ressourcen einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung unserer Wirtschaft tragen und für Millionen neuer Arbeitsplätze sorgen", sagte ein Sprecher des Ölkonzerns Exxon.

Die letzten Förderlizenzen für den Atlantik haben die USA im Jahr 1983 ausgegeben. 1990 untersagte der damalige Präsident George W. Bush die Förderung dort - vielversprechende Funde waren rar. Steigende Benzinpreise veranlassten seine Regierung aber dazu, das Verbot aufzuheben und eine Versteigerung von Lizenzen für ein Gebiet vor der Küste von Virginia für 2011 anzusetzen. Die wurde aber von der Obama-Regierung wieder abgesagt. Nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko hatte auch die Marine Bedenken angemeldet.

Nun ist die Fördermenge im Golf von Mexiko fast wieder auf dem Niveau wie vor der Katastrophe im Jahr 2010 - und auch das Interesse an einer Förderung im Atlantik wird wieder größer. Die Exploration dort sei eine einfache Methode, um die Benzinpreise zu senken, sagte Obama im vergangenen Jahr.

Die Ölfirmen werden durch relativ hohe Ölpreise und neue Fördertechnologien angetrieben. Erst einmal möchten sie aber, dass die Regierung sich auch darauf festlegt, Lizenzen auszugeben. Das könnte schon bald passieren, wenn die Regierung neue Fördergebiete für einen Fünfjahreszeitraum ab 2017 vorschlägt. Und das Innenministerium könnte die Bodenuntersuchungen im Sommer oder Herbst des kommenden Jahres genehmigen, sagt ein Sprecher.

Die Erkundung von neuen Fördergebieten ist umstritten

In Virginia trifft das auf offene Ohren. Im Parlament gibt es viele, die darauf hoffen, dass der Bundesstaat zum Pionier wird. "Wir glauben, dass derjenige den Vorteil hat, der mit der Förderung beginnt", sagt Virginias Rohstoffminister Doug Domenech. Der Staat hofft nicht nur auf Gelder aus dem Bundeshaushalt, sondern auch darauf, dass neue Jobs in der Energiebranche geschaffen werden.

Auch vor der kanadischen Atlantikküste, wo bereits Öl und Gas gefördert werden, sind die Unternehmen auf der Suche nach weiteren Vorkommen. Royal Dutch Shell will eine Milliarde US-Dollar in Explorationen investieren - das ist die größte Summe, die jemals vor der kanadischen Ostküste für Lizenzen ausgegeben wurde. Auch Exxon Mobil fördert dort Öl und Erdgas.

Die Erkundung von neuen Fördergebieten ist umstritten, vor allem wegen der möglichen Auswirkungen auf die Meeresbewohner. Studien haben gezeigt, dass die seismischen Tests - bei denen akustische Signale gesendet werden - Delfinen und Walen schwere Verletzungen zufügen können. Einige der Meeressäuger sind vom Aussterben bedroht. Umweltschutzgruppen setzen sich beim Innenministerium dafür ein, die Untersuchungen zu verbieten, bis andere Methoden entwickelt worden sind. Im vergangenen Monat fanden sie sich zu einer Demonstration vor dem Innenministerium in Washington zusammen und sorgten mit Lufthörnen für einen Lärmpegel von 120 Dezibel - das ist etwa die Hälfte der Dezibelzahl, die bei den seismischen Tests erreicht wird. Tiere könnten Hör- und Gewebeschäden davontragen, sagen die Umweltschützer. In der Gegend ist auch der Atlantische Nordkaper zu Hause. Nur 300 bis 400 Exemplare dieser seltenen Walart leben noch, sagt die amerikanische Wetter- und Ozeanografiebehörde, die auch die seismischen Tests genehmigen muss.

In einem Entwurf des Innenministeriums heißt es, dass die Tiere weniger Schaden nehmen, wenn man die Luftgewehre, die bei den Tests eingesetzt werden, nur in bestimmten Gegenden und zu bestimmten Zeiten benutzt. Auch die Unternehmen, die die Untersuchungen durchführen, sagen, dass sie versuchen wollen, das Risiko zu verringern.

Originalartikel auf Wall Street Journal Deutschland 

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