Rolle in Finanzkrise
Islands Ex-Premier nennt Gerichtsverfahren lächerlich
Der erste Spitzenpolitiker muss sich wegen der Finanzkrise vor Gericht verantworten. Geir Haarde, Ex-Regierungschef von Island, wird beschuldigt, bei der Rettung der drei größten Banken des Landes versagt zu haben. Der Politiker weist das zurück, niemand habe das Ausmaß der Krise ahnen können.
Ex-Premier Haarde: Der Politiker plädiert auf nicht schuldig
Foto: S. Olafs/ dpa
Reykjavik - Der frühere Regierungschef von Island, Geir Haarde, steht seit Montag vor einem Sondergericht. Er muss sich für seine Rolle in der Finanzkrise verantworten. Haarde wird Mitverantwortung am Kollaps des isländischen Bankensystems vorgeworfen. Der 60-jährige Haarde wies zu Prozessbeginn die Anschuldigung zurück, er habe Interessen des Staates verletzt.
Haarde ist weltweit der erste Spitzenpolitiker, der sich wegen der Finanzkrise vor Gericht verantworten muss. Er ist vor einem Sondergerichtshof angeklagt, der 1905 geschaffen wurde und bis zum Montag noch nie getagt hatte.
Der Anklageschrift zufolge wird Haarde der Fahrlässigkeit beschuldigt. Er habe es versäumt, beim Kollaps der drei größten isländischen Banken - Kaupthing, Landsbanki und Glitnir - einzugreifen. Bei einem Schuldspruch drohen dem Politiker zwei Jahre Haft. Der Ex-Premier und frühere Chef der konservativen Unabhängigkeitspartei war im Januar 2009 infolge der Bankenpleite zurückgetreten.
"Mir wurde gesagt, es sei alles in Ordnung"
Während der Finanzkrise im Jahr 2008 häuften Islands Banken Schulden an, die Schätzungen zufolge dem zehnfachen Wert des Bruttoinlandsprodukts der Insel entsprachen. Die isländische Krone verlor stark an Wert. Viele der rund 320.000 Einwohner Islands verloren ihre Ersparnisse. Mit Milliardenkrediten von anderen skandinavischen Ländern und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde eine Staatspleite verhindert.
Haarde plädiert auf nicht schuldig und bezeichnete die Anklage als "lächerlich". Er habe immer im Interesse Islands gehandelt, Regierung und Finanzbehörden hätten ihr Bestes getan. Niemand habe damals erahnen können, dass im Finanzsystem etwas faul sei. Die wahren Schuldigen seien die Banken gewesen.
"Erst nach dem Zusammenbruch haben alle gesagt, dass sie ihn kommen gesehen haben", sagte Haarde. Er räumte ein, er habe möglicherweise eine Beratergruppe zur finanziellen Stabilität nicht ausreichend konsultiert, doch selbst deren Informationen hätten den Kollaps der drei größten Banken nicht verhindern können. Selbst kurz vor dem Zusammenbruch sei ihm von den Banken versichert worden, dass die Kreditlinien funktionierten, so dass er beruhigt zur UN- Vollversammlung nach New York flog. "Ansonsten wäre ich nicht geflogen, aber mir wurde gesagt, dass alles in Ordnung war."