Rentenreform in Russland Putins Umfragewerte brechen ein

Präsident Putin (Archiv)
Foto: GULSHAN KHAN/ AFPMehrere Tausend russische Bürger haben in Moskau gegen eine geplante Erhöhung des Rentenalters in Russland demonstriert. Unter den roten Fahnen der Kommunistischen Partei (KP) skandierten die Demonstranten "Schande" und forderten Regierungschef Dmitri Medwedew zum Rücktritt auf. "Das ist keine Reform, sondern ein Verbrechen an der Nation", rief KP-Chef Gennadi Sjuganow.
Die Regierung hat angekündigt, das Renteneintrittsalter für Männer schrittweise um fünf auf 65 Jahre und für Frauen um acht auf 63 Jahre steigern. Bei der Demonstration standen auf vielen Plakaten Parolen wie "Bis zum Rentenbeginn sterbe ich". Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich in Russland zuletzt deutlich verlängert, liegt für Männer allerdings immer noch bei gerade einmal 67 Jahren - und damit kaum über dem geplanten Renteneintrittsalter.

Demo in Moskau gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters
Foto: VASILY MAXIMOV/ AFPDie Polizei sprach von 6500 Teilnehmern, viele davon trugen Erkennungszeichen der Kommunistischen Partei. Der Unmut über die Rentenreform hat allerdings viel breitere Bevölkerungsschichten erreicht - und könnte sich zu einer Bewährungsprobe für die russische Führung um Präsident Wladimir Putin entwickeln.
Denn: Trotz der aus russischer Sicht ausgesprochen erfolgreich verlaufenen Weltmeisterschaft sind die Umfragewerte des Staatsschefs in den vergangenen Wochen deutlich unter Druck geraten, zum ersten Mal seit der Annexion der Krim im Frühjahr 2014.
So viel Ärger wie zuletzt vor fünf Jahren
Der wachsende Unmut über die Rentenreform schlägt sich in den Erhebungen aller Meinungsforschungsinstitute wieder. Das betrifft sowohl jene, die dem Kreml eher nahe stehen, als auch das unabhängige "Lewada"-Zentrum. "Lewada" hat einen drastischen Anstieg der Unzufriedenheit in der Bevölkerung registriert: Bei der jüngsten Umfrage im Juni gaben 42 Prozent der Befragten an, die Dinge im Land entwickelten sich in die falsche Richtung. Im Mai waren nur 27 Prozent dieser Meinung gewesen. Höher war der Anteil Unzufriedener laut dieser Befragung zuletzt Ende 2013.
Auch der "Vertrauensindex" des staatlichen WZIOM-Instituts zeigt diese Tendenz: Putins Wert ist dort seit Mai von 47 auf 33 gesunken. Gleichwohl: Der Staatschef bleibt trotz des Rückgangs weiter mit großem Abstand der beliebteste Politiker Russlands.

BIP, Einkommen, Lebenserwartung: Putins Bilanz in Grafiken
Die Untersuchungen des Moskauer FOM-Instituts wiederum lassen auch klare Rückschlüsse zu, was den Absturz von Putins Umfragewerten ausgelöst hat. Die Meinungsforscher stellen wöchentlich eine "Sonntagsfrage": Wem würden die Russen ihre Stimme geben, gesetzt den Fall, es wäre Präsidentschaftswahl? Mit "Putin" beantworteten zuletzt noch 48 Prozent der Russen diese Frage, vor zwei Monaten waren es hingegen 65 Prozent.
Der Beginn des Rückgangs lässt sich auf die Woche nach dem 10. Juni datieren. Putins Umfragewert verlor innerhalb von sieben Tagen acht Prozent. Am 14. Juni wurden die Pläne für die Rentenreform bekannt, fast parallel zur Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft. Die Hoffnung der Führung, die Begeisterung für das Turnier werde den Zorn über die längeren Lebensarbeitszeiten dämpfen, hat sich nicht erfüllt.
Der Präsident selbst hatte sich erst am 20. Juli zum ersten Mal zu dem Vorhaben geäußert, nach mehr als einem Monat Schweigen. Der Staatschef ließ Distanz zu seiner eigenen Regierung erkennen. Von allen diskutierten Reformvarianten "gefällt mir gar keine". Das Parlament habe die Erhöhung des Rentenalters zwar bereits in erster Lesung behandelt. Trotzdem gab Putin zu Protokoll: "Eine endgültige Entscheidung gibt es bislang nicht".
Mehr zum Thema: Zum Anpfiff eine Rentenreform