Besuch in Athen "Herr Schäuble, hier ist Ihr Werk"

Eine Vergnügungsreise ist das wahrlich nicht: Bundesfinanzminister Schäuble besucht Athen. Bis zu 100 Millionen Euro deutsche Unterstützung für einen Hilfsfond sagt er zu, doch beim Schuldenschnitt bleibt er hart - zum Unmut der Griechen.
Besuch in Athen: "Herr Schäuble, hier ist Ihr Werk"

Besuch in Athen: "Herr Schäuble, hier ist Ihr Werk"

Foto: SPIEGEL ONLINE

Athen - Für Fußgänger ist es ein ungewöhnlich guter Tag in Athen. Zahlreiche Straßenzüge der griechischen Hauptstadt wurden abgesperrt. Drumherum staut sich der Verkehr. Den Verursacher des Chaos kennt jeder, sein Name steht auf den Titelseiten und kommt als Sprachfetzen aus dem Radio eines vorbeifahrenden Motorrollers: Schäuble.

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen war der deutsche Finanzminister am Vormittag in Athen eingetroffen. Vorsorglich hat die Polizei für Donnerstag "jegliche Versammlungen und Demonstrationen im Freien" verboten. Viele Griechen haben ein negatives Bild von dem CDU-Politiker - für sie ist er ein Sparkommissar und als solcher unerwünscht in ihrem Land.

Doch bereits kurz nach seiner Ankunft gab Schäuble Entwarnung - und lobte die positiven Fortschritte in der Krisenbewältigung. Athen habe "große Schritte bei der Konsolidierung seiner Wirtschaft" gemacht, so der Finanzminister vor der Deutsch-Griechischen Handelskammer in Athen. Die Griechen gingen durch schwierige Zeiten, es gebe aber keinen anderen Weg, betonte der Politiker.

Schäuble forderte die Regierung auf, die Privatisierungen fortzusetzen. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Wirtschaft bald wieder auf Wachstumskurs kommt. "Wir arbeiten Seite an Seite dafür", sagte er. Allerdings warnte er, dass die Krise in der Euro-Zone noch nicht überwunden sei.

Der Bundesfinanzminister kündigte die Teilnahme Deutschlands an der Bildung eines Investitionsfonds in Griechenland an. "Ein entsprechendes Memorandum werden wir am Nachmittag unterzeichnen", sagte der Bundesfinanzminister. Die Bundesregierung hatte den Griechen zuvor 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Der Wachstumsfonds soll insgesamt 500 Millionen Euro Kapital haben und günstige Kredite für kleine und mittelständische Unternehmen bereitstellen.

Griechen beharren auf Schuldenschnitt

Finanzminister Yannis Stournaras sagte, alle Mitglieder der Euro-Zone müssten ihre Finanzen in den Griff bekommen. Sorgen bereite aber der kontinuierliche Abfluss von Kapital vom Süden hin zum Norden. Mit seinen Sparprogrammen beweise Griechenland "seinen Glauben an die europäische Idee". Was Griechenland jetzt brauche, sei Liquidität. Diese werde auch mit der Rekapitalisierung der Banken des Landes geschaffen.

Und auch am Tag des Schäuble-Besuchs ließ Griechenland nicht locker mit neuen Forderungen nach einem Schuldenschnitt. "Nach einem ausgeglichenen Haushalt sehen wir neue Optionen", sagte Stournaras am Rande der Unterredung mit Schäuble zu SPIEGEL ONLINE. Der Bundesfinanzminister hatte zuvor in einem Radiointerview gesagt, niemand, der ein bisschen was von der Sache verstehe, rede "im Ernst von einem weiteren Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger".

"Ave Schäuble, die Todgeweihten grüßen dich"

Die griechische Presse reagierte unterschiedlich auf den Besuch Schäubles. Die linke Zeitung "Eleftherotypia" zeigte auf ihrer Titelseite den Untergang der griechischen Wirtschaft, ausgelöst durch die harten Sparprogramme. "Herr Schäuble, hier ist Ihr Werk: Bruttoinlandsprodukt minus 20,5, Einzelhandel minus 18 Prozent, Bauwesen minus 67 Prozent", titelte das Blatt. Und die Arbeitslosigkeit habe inzwischen 27 Prozent übertroffen. Die Zeitung "Avgi" schrieb: "Ave Schäuble, die Todgeweihten grüßen dich." Die konservative Presse berichtete dagegen sachlicher über den Besuch Schäubles. Die liberal-konservative "Kathimerini" schrieb: "Schäuble bringt einen Investitionsfonds."

Die griechische Opposition hatte Schäuble in den vergangenen Monaten wiederholt scharf angegriffen. Erstmals seit Beginn der tiefen Krise Griechenlands ist der deutsche Minister in Athen. Am Nachmittag wird er bei seinem Kurztrip auch Ministerpräsident Antonis Samaras treffen.

In der Nacht zu Donnerstag hatte das griechische Parlament mit knapper Mehrheit das umstrittene Sparprogramm für den Öffentlichen Dienst gebilligt. Es sieht unter anderem die Streichung Tausender Stellen im Staatsdienst bis Ende 2014 vor. Gegen das Sparprogramm hatte es in Griechenland bis zuletzt heftige Proteste gegeben.

Mit Material von dpa und AFP.
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