Studie zu globaler Kreditlast Die Welt versinkt in Schulden

Angestellte in Bankfiliale im chinesischen Huaibei: Viermal so viele Schulden wie 2007 - mehr als 28 Billionen Dollar
Foto: AP/dpaHamburg - Bereits in den ersten beiden Sätzen ihrer mehr als 120 Seiten starken Studie bringen die Experten des McKinsey Global Institute (MGI) die Misere auf den Punkt: "Nach der Finanzkrise von 2008 sowie der längsten und tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg war erwartet worden, dass die Volkswirtschaften der Welt ihre Schulden abbauen würden. Es ist nicht passiert."
Ob private Haushalte, Unternehmen oder Regierungen, ob in Europa, Asien oder Amerika, ob in Industrie- oder Entwicklungsländern - die Welt versinkt in Schulden. Nur in Ausnahmefällen zeigt der Trend in die richtige Richtung.
Wie rapide die Entwicklung in den vergangenen Jahren verlaufen ist, wird an der Summe aller Schulden dieser Welt deutlich: Im Jahr 2000 addierten sie sich zu 87 Billionen Dollar, 2007 betrugen sie bereits 142 Billionen Dollar - um bis zum zweiten Quartal 2014 auf nun 199 Billionen Dollar emporzuschnellen. Betrugen im Jahr 2007 die Schulden noch 269 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, ist das Verhältnis nun auf 286 Prozent gestiegen, so die internationalen Experten des Forschungszweigs von McKinsey in ihrem Report, der SPIEGEL ONLINE exklusiv vorliegt.
Das besondere an dieser Untersuchung: Sie betrachtet nicht nur die Schulden des Staates, sondern auch die der Unternehmen und Privathaushalte. Erst diese Gesamtsicht ermöglicht nämlich einen realistischen Blick auf die Lage eines Landes. Niedrige Staatsschulden nützen wenig, wenn Haushalte oder Unternehmen kurz vor dem finanziellen Kollaps stehen. Und umgekehrt kann ein Land auch mit hohen Staatsschulden klarkommen, wenn die Bürger fleißig sparen und ihr Geld unverdrossen in Anleihen ihres Heimatlandes stecken.
Deutschland liegt dabei leicht unter dem globalen Durchschnitt - und schneidet damit im Vergleich zu anderen Industrieländern gut ab. Vor allem den Europartnern Niederlande und Irland hat die Schuldenkrise exorbitante Schuldenquoten beschert. Japans Schulden sind ohnehin fast schon sprichwörtlich. Überraschend ist dagegen die enorm hohe Schuldenquote in Dänemark.
Obwohl es immer noch zum fünften Platz auf der Rangliste reicht, ist Großbritannien in den vergangenen Jahren Erstaunliches gelungen. Das Vereinigte Königreich konnte seine Schulden von 507 auf 435 Prozent der Wirtschaftsleistung reduzieren. In Irland hingegen, jenem Land, das die Folgen der Finanzkrise nach landläufiger Ansicht vergleichsweise gut gemeistert hat, stieg die Quote von 663 auf 680 Prozent. Das bedeutet: Die Iren müssten fast sieben Jahre lang arbeiten, ohne einen Cent auszugeben, nur um ihre Schulden abzutragen.
Nicht immer sei Schuldenwachstum aber besorgniserregend, konstatieren die McKinsey-Experten. So entfalle fast die Hälfte der neuen Schulden auf die Schwellenländer und dort vor allem auf Unternehmen, die das Kapital für Investitionen verwendeten - eine zumeist gesunde Entwicklung:

In den Industrieländern allerdings habe sich die Staatsverschuldung deutlich verschärft - während der private Sektor seit dem Höhepunkt der Krise 2009 Schulden abgebaut habe. Konkret fiel die Schuldenquote der privaten Haushalte und Unternehmen leicht auf im Schnitt 156 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Staatsverschuldung schnellte jedoch von durchschnittlich 69 auf 104 Prozent hinauf. Insbesondere gilt das in den vier Staaten, die von der Finanz- und Hypothekenkrise besonders stark betroffen sind - Spanien, Irland, Großbritannien und die USA.
Besondere Sorgen bereitet den Experten von McKinsey die Entwicklung in China. In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt haben sich die Schulden in den vergangenen sieben Jahren vervierfacht. Inzwischen liegt auch die Schuldenquote über der vieler etablierter Industrienationen:
Nicht nur ihr explosionsartiges Wachstum, sondern auch die Struktur der chinesischen Schulden sind laut McKinsey beunruhigend: Die Hälfte der Bestandsschulden gehe auf den Immobiliensektor zurück, neue Schulden würden zur Hälfte bei unregulierten Schattenbanken gemacht, und vor allem die Schuldenpolitik vieler Regionalregierungen sei nicht nachhaltig, schreiben die Experten.
Dafür geben inzwischen die Banken in Großbritannien, den USA oder Irland weit weniger Grund zur Sorge. Der besonders hart getroffene Finanzsektor in diesen Ländern habe inzwischen deutlich Schulden abgebaut, zudem seien die schädlichsten Auswüchse des Schattenbanksektors inzwischen beschnitten.
Auch in die Zukunft werfen die McKinsey-Experten einen Blick, genauer in das Jahr 2019. Der fällt eher besorgniserregend aus. Bis auf drei Ausnahmen wird die Staatsschuldenquote wohl in allen Staaten steigen. Nur in Deutschland, Irland und ausgerechnet Griechenland, das derzeit noch die zweithöchste Staatschuldenquote der Welt hat, gilt:
Um das zu verhindern, wären jedoch mitunter harte Einschnitte in den Haushalten notwendig:

Eine Lehre aus der Eurokrise gilt allerdings weiterhin: Auch ein Sparkurs hilft wenig, wenn das Wirtschaftswachstum zu schwach ausfällt. Voraussichtlich wird es für einen Abbau der Staatschulden in den meisten Staaten auch bis zum Jahr 2019 zu niedrig sein: