Schwarz-gelbe Steuerpläne Merkel macht Bürgern ein Sieben-Euro-Geschenk

Das Versprechen klingt gut: Union und FDP planen Steuererleichterungen in Milliardenhöhe, darauf hat sich der Koalitionsausschuss geeinigt. Doch die Vorhaben kommen in erster Linie den Unternehmen zugute - die Bürger profitieren minimal.
Schwarz-gelbe Steuerpläne: Merkel macht Bürgern ein Sieben-Euro-Geschenk

Schwarz-gelbe Steuerpläne: Merkel macht Bürgern ein Sieben-Euro-Geschenk

Foto: A3250 Oliver Berg/ dpa

Hamburg - Die Zahl wirkt erst einmal gewaltig: viereinhalb Milliarden Euro. In Ziffern: 4.500.000.000 Euro. Um etwa diese Summe sollen Unternehmen und Bürger jährlich entlastet werden - und zwar durch Änderungen im Steuersystem. Das zumindest ist der Plan von Union und FDP, den die Koalition an diesem Donnerstagabend im Koalitionsausschuss verabschiedet hat.

Aber was verbirgt sich hinter der Zahl mit den vielen Nullen? Haben die Bürger am Ende mehr Geld in der Tasche?

Bürokratieabbau

  • Vier Milliarden Euro Entlastung für die Unternehmen
Hauptnutznießer sollen die Unternehmen sein. Ihre Bürokratiekosten sollen um vier Milliarden Euro sinken - weil die Finanzämter künftig auf viele Detailregelungen und schriftliche Belege verzichten. Die Ermäßigung für die Unternehmen fällt dem Staat recht leicht, da sie ihn nichts kostet: Die Entlastung soll allein durch den entstehen, also dadurch, dass Firmen weniger Zeit und Personal für die Steuererklärung brauchen.

Vier Milliarden Euro Entlastung durch weniger Aufwand - geht das? Wie groß ist der Nutzen wirklich, wenn Unternehmen etwa die "Erklärung zur gesonderten Feststellung zur Zerlegung der Körperschaftsteuer" künftig elektronisch an den Fiskus übermitteln statt wie bisher schriftlich?

Die Opposition sieht das kritisch. Von "einer weit überzogenen, hochgerechneten Größe" spricht SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß: "Hier wird ein sehr kleiner Ball sehr groß aufgepumpt."

Dass Poß Recht haben könnte, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Bürokratieabbau steht seit Jahren auf der politischen Agenda, Edmund Stoiber wurde gar als Sonderbeauftragter für Bürokratieabbau nach Brüssel geschickt - doch der große Durchbruch ist bislang ausgeblieben.

  • 590 Millionen Euro Entlastung für Arbeitnehmer

Die Steuerermäßigungen für Arbeitnehmer fallen im Vergleich zur Gesamtsumme mickrig aus. Sie sollen sich auf ungefähr 590 Millionen Euro belaufen - etwa ein Neuntel des gesamten Steuergeschenks. Anders als bei den Unternehmen belastet das Paket die Staatskasse in vollem Umfang.

Doch für jeden einzelnen bleibt unterm Strich nicht viel übrig. Rechnet man 590 Millionen Euro auf 82 Millionen Einwohner Deutschlands um, macht das etwa 7,20 Euro pro Person. So viel spart statistisch betrachtet jeder Bürger, vom Säugling bis zum Rentner - auch wenn natürlich nicht jeder Steuern zahlt.

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Wichtigster Bestandteil der ist die Erhöhung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von derzeit 920 auf 1000 Euro. Unter dem Begriff versteht man, wenn ein Arbeitnehmer keine Belege für beruflich bedingte Kosten einreicht - sogenannte Werbungskosten -, sondern eine pauschale Summe von der Steuer absetzt. Relevant ist das für rund 22 Millionen Steuerzahler. Die Pauschale war 2004 von 1024 auf 920 Euro verringert worden, "Subventionsabbau" nannte das Rot-Grün. Die Rücknahme wird den Staat rund 330 Millionen jährlich kosten, mutmaßlich ab 2011.

Der Schritt befreie jene Leute von unnötiger Bürokratie, die ihre Steuererklärung noch selbst ausfüllen, sagte Unions-Finanzexperte Leo Dautzenberg (CDU). Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard dagegen nennt das Vorhaben laut "Handelsblatt" sinnlos. Denn es erspart nur jenen das Sammeln von Quittungen, die jährliche Kosten von mehr als 920 Euro nachweisen können, aber unter 1000 Euro bleiben. Das ist gerade mal ein Prozent der Arbeitnehmer.

Ein Drittel bis die Hälfte aller Arbeitnehmer profitiert je nach Schätzung überhaupt nicht von der Entlastung, weil sie Werbungskosten über der Pauschale geltend machen. Und selbst wer profitiert, kann sich vom Gesparten nicht viel kaufen. Laut dem Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) beträgt die Ersparnis bestenfalls drei Euro pro Monat. Gar keine Entlastung ergibt sich laut NVL, wenn man die steigenden Krankenkassenbeiträge berücksichtigt.

Neben dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag will Schwarz-Gelb noch weitere Steuerregeln ändern, insgesamt mehr als 40 - die wichtigsten im Überblick:

  • Pendlerpauschale: Wer für den Weg zur Arbeit unterschiedliche Verkehrsmittel benutzt, muss bisher Tag für Tag nachweisen, wann er etwa Auto oder Bus gefahren ist. Künftig würde der Steuervorteil nicht mehr auf Tages-, sondern auf Jahresbasis errechnet. So soll ausuferndes Belegesammeln entfallen.
  • Kindergeld/Freibeträge: Eltern erwachsener Kinder, die sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden, sollen künftig Kindergeld - oder die entsprechenden Freibeträge - unabhängig vom Einkommen der Kinder erhalten. Bisher wird das Kindergeld gestrichen, wenn das Kind mehr als 8004 Euro im Jahr verdient. Damit verzichtet der Staat laut Koalitionspapier auf Einnahmen von 200 Millionen Euro jährlich.
  • Kinderbetreuung: Bisher waren Kinderbetreuungskosten entweder Werbungskosten oder Sonderausgaben - je nachdem, ob beide Elternteile arbeiten gingen. Künftig sollen die Betreuungskosten grundsätzlich Sonderausgaben sein, komplizierte Nachweise entfallen. Die "Anlage Kind" der Steuererklärung soll außerdem eine Seite kürzer werden. Die Steuermindereinnahmen belaufen sich hier auf 60 Millionen Euro jährlich.
  • Steuererklärung: Es soll möglich sein, die Steuererklärung wahlweise nur alle zwei Jahre zu machen. Die jährliche Abgabe bleibt aber möglich. Ein Nachteil ergebe sich dadurch nicht, heißt es im Koalitionspapier. Die Vereinfachung zielt auf Bürger, die über Jahre etwa gleich viel verdienen. Zudem soll bis 2013 jeder Steuerzahler eine vorausgefüllte Steuererklärung im Internet abrufen und dann bearbeiten können. Insgesamt sollen die Formulare für die Steuererklärung verständlicher werden.
  • Abgeltungsteuer: Mit der Abgeltungsteuer werden Kapitalerträge schon heute von der Bank an den Fiskus gezahlt und tauchen nicht mehr in der Steuererklärung auf. Wer aber etwa außergewöhnliche Belastungen oder Spenden absetzen will, muss die Kapitalerträge bisher immer noch angeben. Dies soll künftig nicht mehr nötig sein.
  • Veranlagungsarten: Bisher können sich Ehepaare auf sieben verschiedene Arten veranlagen lassen. Künftig würde es nur noch vier Varianten geben. Das wären dann die Standardfälle der Zusammen- und Getrenntveranlagung sowie zwei Spezialfälle nach dem Tod eines Ehegatten oder im Trennungsjahr.
  • Gebühren: Bisher waren für eine verbindliche Auskunft zu Steuerfragen - also eine schriftliche und einklagbare Information des Finanzamts - teils hohe Gebühren fällig. Künftig sollen bei allen Anfragen, bei denen es um einen Wert von weniger als 10.000 Euro geht, keine Gebühren mehr erhoben werden.

Fazit: Ursprünglich war die schwarz-gelbe Koalition angetreten, um die Steuern grundsätzlich zu senken - etwa durch niedrigere Steuersätze für die Mittelschicht. Dieses Ziel wurde dann in der Wirtschaftskrise aufgegeben - als wirklicher Ersatz können die nun geplanten Steuervereinfachungen aber kaum dienen.

mit Material von AFP und dpa
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