Versicherung für Bus und Bahn Klub der Schwarzfahrer

Sie fahren immer ohne Ticket - eine Strafe müssen sie dennoch nicht fürchten: In Stockholm sind Hunderte einer Schwarzfahrer-Versicherung beigetreten. Die "New York Times" spricht von einem "beneidenswerten Geschäftsmodell".
U-Bahn-Station in Stockholm: Ohne Ticket - aus Prinzip

U-Bahn-Station in Stockholm: Ohne Ticket - aus Prinzip

Foto: JONATHAN NACKSTRAND/ AFP

Wenn es um eine Ausrede geht, sind Schwarzfahrer in Bussen und Bahnen oft erstaunlich einfallslos. "Ich habe mein Ticket verloren", "Der Automat war defekt", "Mein Portemonnaie wurde geklaut", stammeln sie laut einem Ratgeberblog für Schwarzfahrer gern bei Kontrollen.

Eine andere Gruppe der Schwarzfahrer ist hingegen äußerst einfallsreich: Sie schließt sich zusammen und gründet eine Versicherung für ihresgleichen - jeder zahlt eine geringe Summe in einen Gemeinschaftstopf, von dem Geld werden die Strafen bezahlt, wenn Mitglieder erwischt werden. In Stockholm funktioniert diese Schwarzfahrer-Versicherung mittlerweile so gut, dass die "New York Times" ("NYT") von einem "beneidenswerten Geschäftsmodell" spricht .

Die schwedische Organisation Planka.nu hat demnach im vergangenen Jahr doppelt so viel eingenommen wie für die Bezahlung der Bußgelder ausgegeben: Knapp 5500 Euro hätte die Schwarzfahrerversicherung pro Monat von ihren Mitgliedern bekommen - knapp elf Euro pro Person. Vor zehn Jahren habe die Gruppe laut dem Zeitungsbericht noch ungefähr 80 Prozent ihrer Mitgliederbeiträge für die Strafen abdrücken müssen.

Auch sonst habe Planka.nu seit der Gründung vor 13 Jahren extrem an Einfluss gewonnen. Außer den ungefähr 500 Mitgliedern habe die Organisation mehrere Tausend andere Nutzer dazu angeregt, im öffentlichen Nahverkehr schwarzzufahren, teilt ein Sprecher der Stockholmer Verkehrsbetriebe laut "NYT" mit. Ungefähr 15 Millionen Schwarzfahrten habe die schwedische Hauptstadt im vergangenen Jahr verzeichnet, das seien drei Prozent aller Fahrten. Ähnliche Gruppen hätten sich zudem in Göteborg und Oslo gegründet.

In Frankreich ist Schwarzfahren ein Nationalsport

Den Schwarzfahrern geht es dabei nicht nur darum, ihr eigenes Geld zu sparen. Ihre Solidaritätsvereinbarung, wonach die Mitglieder immer schwarzfahren und die Gruppe für etwaige Bußgelder aufkommt, soll auch ein allgemeiner Protest gegen die Kosten für öffentlichen Nahverkehr sein. Das System sollte nur durch Steuern finanziert werden, wobei Wohlhabende und Vielfahrer mehr belastet werden sollten, fordern die überzeugten Schwarzfahrer dem Bericht zufolge.

Auch in anderen Städten weltweit haben sich Schwarzfahrer zusammengeschlossen. In Frankreich sogar mit großem Erfolg: In einigen französischen Städten ist der öffentliche Nahverkehr inzwischen gratis - die Verantwortlichen waren es offenbar leid, sich über die Verluste zu ärgern. 300 Millionen Euro kosten Schwarzfahrer die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF pro Jahr, rund Hundert Millionen Euro entgehen den ebenfalls staatlichen Pariser Verkehrsbetrieben RATP, schätzte Verkehrsminister Frédéric Cuvillier im vergangenen Jahr.

In den Pariser Bussen und Straßenbahnen, wo keine Sperren den Zugang für Schwarzfahrer erschweren, ist fast jeder Zehnte ohne Ticket unterwegs - Schwarzfahren gilt bei den Franzosen als Kavaliersdelikt. Kein Wunder, dass sich auch in Paris eine Versicherung wie in Stockholm gegründet hat. Zudem gibt es die App "CheckMyMetro", bei der die aktuellen Positionen der Kontrolleure in Echtzeit auf einem Stadtplan erscheinen sollen.

Eine solche App gibt es einem Radiobeitrag zufolge auch in Tschechien: Nutzer teilten dort mit, wo und wann sie Kontrolleure gesehen haben und wie diese angezogen sind.

In Deutschland sind derartige Solidargemeinschaften offenbar noch nicht etabliert. In Hannover soll es dem "Hamburger Abendblatt" zufolge in den achtziger Jahren mal eine ähnliche Idee gegeben haben. Die Initiative sei aber gescheitert. Und in Hamburg wollte laut Lokalzeitungsberichten ein 16-jähriger Schüler vor einem Jahr eine Schwarzfahrer-Versicherung anbieten - seine angekündigte Webseite ist jedoch nicht mehr zu erreichen.

Allerdings kann die Hansestadt die Facebook-Seite "Schwarzfahren Hamburg" vorweisen, wo sich Mitglieder gegenseitig vor Kontrolleuren warnen. Knapp 25.000 Leute klickten bereits den "Like"-Button für die Seite, die Hinweise veröffentlicht wie "Kontrolle oben U-Bahn Borgweg".

lgr
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