Steuerschätzung Gabriel fordert Entlastung für Unternehmen

Sind die fetten Jahre vorbei? Vor der Steuerschätzung von Finanzminister Scholz wird über den Kurs der Haushaltspolitik gestritten. Ex-SPD-Chef Gabriel zeigt sich offen für eine konservative Forderung.
Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel

Foto: HAYOUNG JEON/EPA-EFE/REX

Ex-Kanzler und Ex-SPD-Chef Gerhard Schröder klebt der Ruf als Genosse der Bosse an. Mit Sigmar Gabriel hat sich nun ein weiterer Ex-Vorsitzender der SPD für weitgehende Entlastungen von Unternehmen ausgesprochen - trotz der voraussichtlich angespannteren Finanzlage des Bundes.

Gabriel sieht noch Spielraum für eine Unternehmenssteuerreform. "Mit fast 30 Prozent Unternehmenssteuern gegenüber 15 Prozent zum Beispiel in den USA verlieren wir einfach massiv an Attraktivität", schrieb Gabriel im Berliner "Tagesspiegel " - und dürfte damit auf heftigen Widerstand in der eigenen Partei stoßen, die Steuergeschenke für Firmen bislang ablehnt. Die letzte große Unternehmenssteuerreform, so Gabriel, sei in der rot-grünen Koalition 2000 angegangen worden. "Seitdem ist im Wesentlichen nichts mehr geschehen."

Die Forderung des SPD-Politikers ist nur eine von vielen vor der Bekanntgabe der Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung mit Experten der Bundesregierung am Nachmittag. Bereits jetzt ist in der Politik eine Debatte über die Folgen der Haushaltslage entbrannt, denn es wird ein deutlich geringerer Zuwachs an Einnahmen erwartet als bisher. Berichten zufolge könnten Bund, Länder und Kommunen bis 2023 Dutzende Milliarden Euro weniger einnehmen als im November vorhergesagt, da die Wirtschaft weniger wächst.

Gabriel: "Für einen sozialen Kapitalismus"

Haushaltspolitiker, Freidemokraten und Kommunen fordern deshalb, mehr zu sparen. Auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seine Kabinettskollegen auf mehr Haushaltsdisziplin eingeschworen. Andere - etwa in der Union - weisen auf die schwächere Konjunktur als Ursache hin und wollen wie Gabriel die Unternehmenssteuern senken, um die Wirtschaft zu stützen. Der CDU-Abgeordnete Axel Fischer sagte, es müsse gegengesteuert werden, "damit wenigstens zusätzliche Impulse zur Belebung der Binnenkonjunktur gesetzt werden".

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Gabriels Forderung nach einer Unternehmenssteuerreform ist eine in einem Fünf-Punkte-Plan "für einen sozialen Kapitalismus". So schlägt er auch eine Entlastung von Geringverdienern vor: konkret, bei Sozialabgaben das Existenzminimum freizustellen. Dafür soll eine Erbschaftssteuer mit niedrigen Steuersätzen für alle gelten. Der Solidaritätszuschlag soll zugunsten kleiner Kommunen beibehalten werden. Und die schwarze Null - also den ausgeglichenen Haushalt - möchte er zugunsten von Investitionen in Verkehr, Digitales sowie Bildung und Forschung zurückgestellt sehen.

Grund für die geringeren Erwartungen bei den Steuereinnahmen ist eine sich weltweit eintrübende Konjunktur - unter anderem wegen Handelskonflikten zwischen den USA und China sowie den USA und der EU. Das spürt besonders die exportstarke deutsche Wirtschaft. Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr deshalb nur noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,5 Prozent. Weniger Wachstum bedeutet auch weniger Geld für den Staat.

Kommunen: "Fetten Jahre vorbei"

CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg forderte daher laut Redaktionsnetzwerk Deutschland, es müsse von noch höheren Ausgaben abgesehen werden. "Die Grundrente der SPD ohne Bedürftigkeitsprüfung im Umfang von fünf Milliarden Euro ist nicht finanzierbar." Die Sozialdemokraten stehen hinter dem Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil, der sich statt an Bedürftigkeit an der geleisteten Arbeit orientieren soll.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds mahnt dagegen ebenfalls zum Sparen. "Die aktuelle Steuerschätzung zeigt, dass die fetten Jahre vorbei sind", sagte Gerd Landsberg der "Passauer Neuen Presse". Christian Lindner verlangte gar: "Auch bisher schon beschlossene Maßnahmen müssen überprüft werden. Zum Beispiel das Baukindergeld, das Bauen teurer macht, aber nicht zu mehr Wohnungen führt." Priorität müsse haben, was eine Wirtschaftskrise verhindere: "Eine Entlastung der breiten Mitte", sagte der FDP-Chef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ein solcher Kraftakt wäre notwendig, um die Binnenkaufkraft zu stärken und eine mögliche Rezession zu verhindern."

apr/dpa
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